Abmahnung – was nun?
Du hast eine Abmahnung erhalten? Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn du einen erheblichen Vertragsverstoß begangen hast. Egal, ob diese Abmahnung berechtigt oder unberechtigt ist – informiere dich jetzt in Ruhe darüber, was du in deiner Situation beachten musst. In diesem Artikel findest du eine Zusammenstellung wichtiger Informationen rund um das Thema.
Inhaltsverzeichnis
Was ist eine Abmahnung?
Die Abmahnung ist mit der gelben Karte im Sport zu vergleichen: Ein Arbeitgeber toleriert zwar das Verhalten eines Mitarbeiters nicht, will diesen jedoch noch nicht kündigen, da er an eine Besserung des Verhaltens glaubt.
Eine Abmahnung nach § 314 Abs. II BGB, auch wenn sie manchmal „Ermahnung“ genannt wird oder einen anderen Namen trägt, muss folgende Kriterien erfüllen:
- Das Fehlverhalten muss so präzise wie möglich beschrieben werden. Datum und Uhrzeit des Vertragsverstoßes müssen in der Abmahnung enthalten sein. Es reicht also nicht aus, wenn generell von dem häufigen Zuspätkommen des Mitarbeiters die Rede ist.
- Es muss klargestellt werden, dass es sich um einen Vertragsverstoß handelt. Der Arbeitnehmer muss dazu aufgefordert werden, das Verhalten künftig einzustellen.
- Es muss in der Abmahnung mit einer Kündigung bei Wiederholungsfall gedroht werden.
Bedarf eine Abmahnung der Schriftform?
Nein, auch eine mündlich ausgesprochene Abmahnung ist gültig. Aufgrund der besseren Nachvollziehbarkeit zu späteren Zeiten sei jedoch zur Schriftform geraten. Im Fall eines Gerichtsprozesses liegt die Beweispflicht nämlich beim Arbeitgeber, und Arbeitgeber sprechen am häufigsten Abmahnungen aus.
Wie unterscheidet sich eine Abmahnung von einer Belehrung, Verwarnung oder Ermahnung?
Nur bei der Abmahnung wird mit der Kündigung gedroht. Das bedeutet jedoch nicht, dass man Belehrungen, Verwarnungen und Ermahnungen nicht ernst nehmen sollte. Schließlich geht es um die eigene Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit als Arbeitnehmer: Absprachen sollten eingehalten werden.
Welche Verhaltensweisen können abgemahnt werden?
Bei den abgemahnten Verhaltensweisen muss es sich um von dem Arbeitnehmer steuerbare, willentlich herbeigeführte Dinge handeln. Hier findest du eine Liste mit Beispielen.
- Verspätungen
- Nichtbefolgen von Anweisungen
- Minderleistung
- schlampiger Kleidungsstil bei Kundenkontakt
- Mobbing
- Urlaubsüberziehung
- Diebstahl
- Rauchen oder Alkoholkonsum am Arbeitsplatz
- Verletzung der Anzeige- und Nachweispflicht von Krankheiten
Abmahnung wegen Minderleistung: So einfach ist es nicht
Zwei Mitarbeiter können gleich schlecht arbeiten, und trotzdem kann es sein, dass nur einer von ihnen abgemahnt werden kann. In einer Abmahnung muss nämlich die Leistungsfähigkeit eines Mitarbeiters berücksichtigt werden. Das bedeutet: Wenn ein Mitarbeiter nicht dieselben Kenntnisse wie die anderen Mitarbeiter mitbringt, kann ihm ein langsameres oder schlechteres Arbeiten nicht in einer Abmahnung vorgeworfen werden.
Kann man auch wegen Krankheit abgemahnt werden?
Wer häufig oder chronisch krank ist, muss sich vor keiner Abmahnung fürchten, solange er den Anzeige- und Nachweispflichten von Krankheiten nachkommt. Der Grund: Die Krankheit ist von dem Mitarbeiter nicht willentlich steuerbar; er kann nichts dafür.
Wann sind Abmahnungen ungültig?
- Wenn sie die oben genannten Daten nicht enthalten (die Rüge und die Warnung)
- Wenn in der Abmahnung die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers nicht gewahrt werden. Dies ist der Fall bei Beleidigungen wie etwa „der Faulenzer“.
- In manchen älteren Tarifverträgen ist das Recht eines Mitarbeiters auf Anhörung verankert. In solchen Fällen ist eine Abmahnung ohne vorherige Anhörung nicht zulässig.
Kann nur der Arbeitgeber eine Abmahnung aussprechen?
- Auch alle weisungsbefugten Mitarbeiter können einem anderen Mitarbeiter gegenüber eine Abmahnung aussprechen, wenn diese zur Abmahnung bevollmächtigt wurden.
- Hat der Arbeitgeber gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen (wie etwa die pünktliche Zahlung des Gehalts) verstoßen, kann auch der Arbeitnehmer eine Abmahnung aussprechen.
Was ist der Sinn einer Abmahnung?
- Schweigendes Dulden vertragswidrigen Verhaltens kann mit der Zeit zu einer Änderung des Arbeitsvertrages führen. Es ist dann von einer Vertragsänderung aufgrund schlüssigen Verhaltens die Rede (Quelle). Aus diesem Grund ist eine rechtzeitige Abmahnung ratsam.
- Außerdem muss vor einer verhaltensbedingten Kündigung im Regelfall zuerst eine Abmahnung erfolgen. Eine Ausnahme ist die Probezeit: Während dieser ist keine Abmahnung vor einer Kündigung erforderlich.
Wie oft muss abgemahnt werden?
Eine einzige Abmahnung reicht. Bei jedem Wiederholungsfall kann also die Kündigung ausgesprochen werden. Legt der Arbeitnehmer nun jedoch ein anderes Fehlverhalten an den Tag als das, das in der Abmahnung gerügt wurde, so kann keine Kündigung eingelegt werden. Eine Ausnahme ist, wenn beidem Fehlverhalten dieselbe Ursache zugrunde liegt, etwa Trunkenheit. In allen anderen Fällen ist eine weitere Abmahnung erforderlich.
Verliert eine Abmahnung irgendwann ihre Gültigkeit?
Wenn sich der abgemahnte Vertragspartner lange Zeit einwandfrei verhalten hat, verliert die Abmahnung irgendwann ihre Gültigkeit. Zu welchem Zeitpunkt, ist gesetzlich nicht festgelegt. In der Praxis hat sich die Handhabung bewährt, dass man sich beispielsweise nach einer Zeitspanne von fünf Jahren nicht mehr auf eine Abmahnung berufen kann. Eine Kündigung ohne Vorwarnung wäre in einem solchen Fall unverhältnismäßig.
Wie rasch muss die Abmahnung erfolgen?
Es gibt keine bestimmten Fristen, an die man sich zu halten hat. Laut Meinung von arbeits-abc.de verwirkt man jedoch bereits nach ein paar Monaten, in dem das Verhalten toleriert wurde, sein Recht auf eine Abmahnung.
Was sollte man tun und was nicht, wenn man eine Abmahnung erhalten hat?
- Unterschreibe keine Dokumente, in denen deine Unterschrift bestätigt, dass es sich um eine berechtigte Abmahnung handelt. Da viele Unternehmen mit einer Abmahnung die Kündigung vorbereiten, sollte man mit dem Nichtunterschreiben solcher Dokumente ein Zugeben des Fehlverhaltens vermeiden. In diesem Fall hat man die besseren Chancen bei einer Kündigungsschutzklage.
- Du kannst Kollegen darum bitten, eine Zeugenaussage oder Stellungnahme zu deinem Fall abzugeben.
- Wenn die Abmahnung nicht gerechtfertigt ist, kannst du dich an den Betriebsrat wenden.
- Du kannst deiner Personalakte auch dann, wenn die Abmahnung gerechtfertigt gewesen ist, eine Gegendarstellung, die du geschrieben hast, beifügen lassen. Beispielsweise kannst du dich für dein Verhalten entschuldigen. Zur vorteilhaften Formulierung eines solchen Entschuldigungsschreibens solltest du jedoch einen Anwalt heranziehen.
- Mittels einer Klage kann man um die Rücknahme einer Abmahnung sowie um deren Entfernung aus der Personalakte bitten.
- Wenn du deinen Job behalten willst, ist es wichtig, das in der Abmahnung vorgeworfene Fehlverhalten nicht erneut an den Tag zu legen. Wenn du dich nach der Abmahnung jahrelang einwandfrei verhalten hast, wird diese irgendwann vergessen werden.
Tipps für Arbeitgeber
- Mit einer Abmahnung sollen Grenzen aufgezeigt werden. Wenn sich ein ansonsten zuverlässiger und engagierter Mitarbeiter zu weit aus dem Fenster lehnt, oder, wie es Personio formuliert, dazu neigt, seine „Grenzen immer weiter auszudehnen“, kann es Sinn machen, ihm die gelbe Karte in Form einer Abmahnung zu zeigen. Dabei ist die Abmahnung im Vergleich zu einer Kündigung ein milderes Mittel, und bei einem Gerichtsprozess kann, wenn der Mitarbeiter ohne vorherige Abmahnung gekündigt wurde, darauf hingewiesen werden, dass eine Abmahnung das sinnvollere Mittel gewesen wäre. Beispielsweise war dies so im Falle eines Arztes, der während einer Operation sein Handy benutzte und dafür die fristlose Kündigung erhielt (Quelle).
- Besonders wenn es sich bei dem Mitarbeiter um einen jungen Menschen handelt, kann es sein, dass sich dieser seiner Pflichten noch nicht wirklich bewusst ist. Natürlich muss jeder Mensch lernen, mit Pflichten umzugehen, doch eine Abmahnung ist nicht unbedingt die beste Methode, um eine Person auf ihr Fehlverhalten hinzuweisen. Bevor zu einem solch drastischen Mittel gegriffen wird, sollte erst einmal das Gespräch mit der Person gesucht werden. Wenn der Mitarbeiter seinen Job liebt, wird er sich aufrichtig für seinen Fehler entschuldigen.
- Bei Abmahnungen ist auf eine angemessene Reaktion zu achten: Ist eine Mitarbeiterin 4 mal um 5 Minuten zu spät zur Arbeit gekommen, ist eine Abmahnung nicht nachvollziehbar. Man sollte also nicht wegen Kleinigkeiten zu diesem Mittel greifen.
- Wer einem Mitarbeiter eine Abmahnung geschickt hat, verzichtet auf sein Recht zur Kündigung, und zwar so lange, bis der Mitarbeiter dieses Verhalten erneut an den Tag legt. Auch wenn es im Nachhinein betrachtet ein gravierendes Fehlverhalten gewesen ist, kann der Mitarbeiter aufgrund der Abmahnung nicht gekündigt werden.
- Eine Abmahnung besitzt eine Warnfunktion für den Arbeitnehmer, doch die Wirkung dieser Warnung nimmt im Laufe der Zeit ab: Will man einen Mitarbeiter gern kündigen, kann man sich nicht mehr auf die 2-3 Jahre alte Abmahnung berufen.
- In manchen Fällen ist sowohl eine Abmahnung als auch eine Kündigung möglich: Beispielsweise bei einem Mitarbeiter, der Diebstahl in der Firma begeht. Handelt es sich um Kavaliersdelikte wie das absichtliche Klauen eines Stiftes, sei aufgrund des Gerichtsurteils im Fall Emmely (eine Verkäuferin löste einen fremden Pfandbon ein) zu einer Abmahnung geraten.
Fazit
Wie du in diesem Artikel gesehen hast, kann man in Sachen Abmahnung vor allem als Arbeitgeber vieles falsch machen: Beispielsweise wird zu allgemein und ohne Bezug auf ein konkretes Ereignis abgemahnt, was die Abmahnung wirkungslos macht. Als Arbeitnehmer sollte man eine Abmahnung, die mit einem Schuldeingeständnis des Arbeitnehmers angereichert ist, nicht einfach unterschreiben.
Abmahnungen sind für beide Seiten unangenehm: Für den Abmahnenden und für den Abgemahnten. Damit es gar nicht so weit kommt, macht es Sinn, sich seinen Arbeitsvertrag genau durchzulesen und in seinem alltäglichen Handeln möglichst viel Vernunft, Korrektheit und Respekt walten zu lassen.
Zudem sind Abmahnungen nicht immer das optimale Mittel der Kommunikation: Bevor dieser Schritt gegangen wird, sollte bei weniger schlimmen Vergehen das Gespräch gesucht werden. Nur bei wirklich schwerwiegenden Verstößen gegen den Arbeitsvertrag oder einem Verstoß gegen gesetzliche Verpflichtungen macht eine Abmahnung Sinn.
Wenn du eine Abmahnung bekommen hast, weißt du, dass du es zu weit getrieben hast mit Unpünktlichkeit & Co. Das Beste, was man in diesem Fall tun kann, ist sich kurz zu entschuldigen und sich fortan einwandfrei zu verhalten. Nicht in wenigen Fällen ist anwaltliche Hilfe bei Abmahnungen unverzichtbar.
Doch auch so mancher Arbeitgeber ist bei der Formulierung einer Abmahnung auf anwaltliche Hilfe angewiesen. Es gibt nämlich nichts Peinlicheres, als wenn sich schließlich herausstellt, dass das Schreiben nicht rechtssicher ist.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form (generisches Maskulinum), z. B. „der Mitarbeiter“. Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung. Die verkürzte Sprachform hat redaktionelle Gründe und ist wertfrei.
Joana hat Germanistische Linguistik und Musikwissenschaft an der LMU studiert und ist als externe Redakteurin für careeasy – Dein Karriere-Magazin von stellenanzeigen.de tätig.