Rechtsanwaltsfachangestellte: verantwortungsvoller Job mit geringen Aufstiegschancen
Der „Schönfelder“ ist ihre Bibel, doch zur Rechtsberatung ist sie dennoch nicht befugt: Wer Rechtsanwaltsfachangestellte werden möchte, ist, wie der Name des Berufes schon sagt, zur Entlastung des Rechtsanwalts da. In einer solchen Position repräsentierst du die Kanzlei, für die du arbeitest. Noch bevor der Mandant seinen Rechtsanwalt oder seine Rechtsanwältin kennengelernt hat, hast du bereits die wichtigsten Schritte in die Wege geleitet. Hierfür erledigst du ganz unterschiedliche Aufgaben.
Inhaltsverzeichnis
Die Tätigkeiten als Rechtsanwaltsfachangestellte
Du gibst der Kanzlei ein Gesicht und sorgst dafür, dass Rechtsanwälte ungestört ihrem Beruf nachgehen können: Als Rechtsanwaltsfachangestellte/r übernimmst du zahlreiche Organisationstätigkeiten. Du vergibst und verwaltest Termine, bist aber auch für den Empfang der Mandanten zuständig. Außerdem leitest du Telefonate weiter und planst Geschäftsreisen deines Chefs oder deiner Chefin.
Ein wichtiger Teil deiner Arbeit ist die Vorbereitung von Unterlagen. Du trägst die Akten eines Falls zusammen und sorgst dafür, dass der Anwalt oder die Anwältin diese auf dem Tisch liegen hat. Im Auftrag übernimmst du außerdem Gespräche mit Behörden und bereitest die Unterlagen für das Gericht vor. Viele der Arbeiten in diesem Job sind Bürotätigkeiten. Du erstellst beispielsweise Rechnungen und managst den kompletten Schriftverkehr. Hierfür beantwortest du Anschreiben, kopierst Unterlagen und kontrollierst den Posteingang.
Darüber hinaus nimmst du Telefonate entgegen und klärst Termine für den Rechtsanwalt oder die Rechtsanwältin telefonisch ab. Die Überwachung von Fristen ist eine deiner wichtigsten Aufgaben.
Je nachdem, in welchem Rechtsgebiet dein Chef angesiedelt ist – beispielsweise Arbeitsrecht, Familienrecht, Sozialrecht oder Strafrecht – kann sich dein Arbeitsalltag unterschiedlich gestalten. Zusätzlich zu einer solchen Tätigkeit können auch Aufgaben kommen, die aus einer bestimmten Rolle deines Chefs entstehen: Ist er beispielsweise Präsident einer bestimmten Organisation, so kann dies zusätzliche Verantwortungen für dich mitbringen, da du schließlich als Sekretärin deines Vorgesetzten fungierst und ihn damit insgesamt entlasten sollst.
Tipp: Bevor du dich auf eine (Ausbildungs-)Stelle als Rechtsanwaltsfachangestellte bewirbst, solltest du sicherstellen, dass du dich für den jeweiligen Rechtsbereich begeistern kannst. Handelt es sich um einen für dich langweiligen Bereich, sinkt damit nämlich die Wahrscheinlichkeit, dass dir deine Tätigkeit Spaß machen wird. Zwar muss man sich in der schulischen Ausbildung nicht auf einen Rechtsbereich festlegen, doch ein Wechsel der Lehrstelle sollte möglichst vermieden werden.
Was verdienst du als Rechtsanwaltsfachangestellte?
Die Ausbildung zum/zur Rechtsanwaltsfachangestellten ist dual. Das heißt: Du verdienst schon während dieser Zeit dein erstes Geld. Das Gehalt, das dich erwartet, ist deutschlandweit unterschiedlich. Im ersten Jahr beträgt deine Ausbildungsvergütung 310 bis 810,00 €. Sie erhöht sich dann ab dem zweiten Jahr auf monatlich 440 bis zu 860,00 Euro. Das meiste Geld kannst du dann ab dem dritten Ausbildungsjahr verdienen. Du bekommst dann jeden Monat 520 bis 910,00 €.
Nach der Ausbildung liegt dein Einstiegsgehalt deutlich über diesem Niveau. Durchschnittlich 1.500,00 Euro brutto werden dir von den Kanzleien gezahlt, wobei es große Unterschiede zwischen den Regionen gibt. Auch die Größe der Kanzlei hat Einfluss auf dein Gehalt. Je erfahrener du bist, desto höher fällt meistens auch dein Gehalt aus, sodass es sich wirklich lohnt, an Fortbildungen teilzunehmen (Quelle zu den unterschiedlichen Gehaltsangaben: Ausbildung.de).
Die Berufsausbildung und ihre Voraussetzungen
- In diesem Beruf wendest du täglich Gesetze an, beispielsweise bei der Erstellung von Rechnungen. Daher ist es ungemein wichtig, dass du dazu bereit bist, dich in unterschiedliche Gesetze einzuarbeiten. Deine Ausbildung ist dual aufgebaut. Du lernst also in der Berufsschule und der Kanzlei. Dir werden die Grundlagen des Rechts (beispielsweise BGB, ZPO oder GKG) beigebracht, und erhältst unter anderem ein Training im Diktateschreiben. (In vielen Kanzleien kommt es aber weniger auf das Schnellschreiben als auf perfekte Orthografiekenntnisse an, da Diktate bereits durch Spracherkennungs-Software erleichtert werden.)
- Neben unterschiedlichen Fächern aus dem Bereich Recht gehört das Rechnungswesen zu den großen Themen der Ausbildung.
- Diese schließt mit einer schriftlichen und mündlichen Prüfung ab. Den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten kannst du mit einem mittleren Bildungsabschluss erlernen, doch in manchen Fällen haben auch Schulabgänger mit Hauptschulabschluss Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Natürlich werden auch Abiturienten von Kanzleien gern eingestellt. Gute Mathekenntnisse sind vor allem für die Tätigkeiten im Rechnungswesen nötig. Damit du Diktate fehlerfrei tippst und dich am Telefon gut ausdrücken kannst, sind auch sehr gute Deutschkenntnisse wichtig.
- Eine gute Merkfähigkeit und eine schnelle Auffassungsgabe sind ebenso von Vorteil wie ein gutes Organisationstalent. Du brauchst gute PC-Kenntnisse und solltest dich mit der gängigen Office-Software auskennen. Ein freundliches, gepflegtes Auftreten sowie eine zuvorkommende Art runden die Liste der Voraussetzungen für diesen Beruf ab.
Wann du von einer Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten absehen solltest
- Dir bricht ein Zacken aus der Krone, wenn du dem Rechtsanwalt die Robe bereitlegen oder Kaffee für die Partner einer Sozietät kochen sollst? Solche Aufgaben wie auch Botengänge können nicht nur während der Berufsausbildung auf dich zukommen.
- Du willst am liebsten im Zentrum stehen? Als Rechtsanwaltsfachangestellte spielst du die zweite Geige, da sich alles um deinen Chef und dessen Mandanten dreht: Beispielsweise weißt du immer, wann der Rechtsanwalt Zeit für ein Telefonat mit dem Mandanten hat.
- Du möchtest gern in einem möglichst modernen Bereich arbeiten? Rechtsanwaltskanzleien gehören zu den konservativsten Betrieben. Das kann sich beispielsweise darin äußern, dass sich ein älterer Rechtsanwalt die Verwendung der Schreibmaschine für einige Zwecke wünscht. Zum täglichen Brot von Kanzleimitarbeitern gehört es in der Praxis auch, die Handschrift ihrer Chefs zu entziffern, der sich zu unterschiedlichen Fällen Notizen gemacht hat.
- Am liebsten möchtest du in einem Ausbildungsberuf arbeiten, in dem das Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen Azubis ausgewogen ist? Wer Rechtsanwaltsfachangestellte lernt, muss sich mit einem Frauenanteil von über 95 % anfreunden.
- Bereits in deiner Berufsausbildung möchtest du möglichst viel Geld verdienen? Je nach Bundesland und Kanzlei kann das Gehalt eines Azubis insbesondere im ersten Lehrjahr vergleichsweise mickrig ausfallen.
Rechtsanwaltsfachangestellte auf dem Stellenmarkt
Wenn du deine duale Ausbildung abgeschlossen hast, stehen deine Chancen auf einen Job gut. Vielleicht wirst du auch gleich von deiner Ausbildungskanzlei übernommen. Dabei kannst du nach der Ausbildung nicht nur für einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin in einer Kanzlei tätig sein. Beschäftigungsmöglichkeiten bieten sich dir auch in ganz anderen Unternehmen, wie beispielsweise Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Versandhändler beschäftigen die Fachkräfte gern im Mahnwesen, da sie hier das nötige Grundwissen mitbringen. Außerdem kannst du in Finanzunternehmen, wie Banken und Versicherungen, oder auch in Inkassobüros oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften freie Stellen finden.
Die Anwaltskanzlei ist und bleibt natürlich der wichtigste Arbeitgeber. Dabei suchen sowohl Sozietäten als auch einzelne Rechtsanwälte Rechtsanwaltsfachangestellte, da sie auf umfassende Unterstützung bei verschiedenen organisatorischen Tätigkeiten angewiesen sind.
Weiterbildung für Rechtsanwaltsfachangestellte
Zwar werden Weiterbildungen angeboten, doch läuft man nach deren Absolvieren Gefahr, trotzdem wieder in einer normalen Position für Rechtsanwaltsfachangestellte zu landen:
- Direkt nach der Ausbildung kannst du dich für die Fortbildung zum/zur Rechtswirt/in entscheiden. Die Fortbildung, die im Fernstudium absolviert wird, dauert berufsbegleitend vier Semester und ist damit sehr umfangreich (Quelle). Aktuelle Stellenanzeigen für diesen Beruf haben wir aber leider keine gefunden.
- Wenn du nach deiner Lehre zunächst zwei Jahre in dem Beruf gearbeitet hast, kannst du dich für eine Fortbildung zum/zur Rechtsfachwirt/in entscheiden. Wie etwa den Kommentaren dieser Quelle zu entnehmen ist, werden Rechtsfachwirte jedoch in der Praxis kaum gesucht.
- In einer sechsmonatigen Weiterbildung ist ein Abschluss als Rechtsassistent/in möglich. Dieser Abschluss berechtigt dich zur Übernahme von besonders wichtigen Aufgaben. Wie eine einfache Stellensuche zeigt, ist auch dieser Beruf in der Praxis alles andere als gefragt.
Fazit
Wer gern Rechtsstreitigkeiten beobachtet und am liebsten bei einer der Parteien mitfiebern möchte, der kommt in diesem Beruf auf seine Kosten. Auch wer einen Beruf sucht, der mit viel bequemer Büroarbeit verbunden ist, der ist hier richtig. Doch sollte sich jeder, der die Berufsausbildung in Erwägung zieht, auch bewusst sein, dass jede Menge weniger interessante Aufgaben auf der Agenda stehen: Akten ablegen, Ergänzungslieferungen für Gesetze einsortieren, Kopierarbeiten en masse oder die Vorbereitung von Akten aus dem Archiv für die Vernichtung.
In der Praxis wird wohl kaum ein Mandant von der „Rechtsanwaltsfachangestellten“ des Herrn RA Tunichtgut sprechen, sondern vielmehr von seiner „Sekretärin“. Wer den Beruf ergreifen möchte, dem sollte dies bewusst sein, und der sollte sich mit der Rolle einer Sekretärin identifizieren können.
Wer sich nach einem Beruf mit guten Aufstiegsmöglichkeiten sehnt, der ist in anderen Berufen besser aufgehoben: Denn weder Rechtswirte, noch Rechtsfachwirte oder Rechtsassistenten sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt. Ein Tipp für alle, die trotzdem gern Karriere machen wollen: Nach Abschluss der Ausbildung kann z. B. die Berufsoberschule besucht und damit die Hochschulreife erworben werden. Daraufhin kannst du je nach Abschlussnote studieren, was du möchtest.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form (generisches Maskulinum), z. B. „der Mitarbeiter“. Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung. Die verkürzte Sprachform hat redaktionelle Gründe und ist wertfrei.
Joana hat Germanistische Linguistik und Musikwissenschaft an der LMU studiert und ist als externe Redakteurin für careeasy – Dein Karriere-Magazin von stellenanzeigen.de tätig.