Du hast dein Abi bald in der Tasche und willst dir am liebsten direkt im Anschluss an den Schulabschluss ein Gap Year nehmen, in welchem du erst einmal Lebenserfahrung sammelst? Oder du weißt vielleicht schon, was du studieren willst, möchtest dir aber mit deiner Studienwahl ganz sicher sein? Viele Abiturienten wollen nach der Hochschulreife erst einmal „ganz etwas anderes“ machen, und auch bei künftigen Arbeitgebern kann man Pluspunkte sammeln, wenn sich neben blanker theoretischer Ausbildung an Schule und Hochschule auch eine Orientierungsphase im Lebenslauf findet. Denn so zeigt man, dass man sich wirklich Gedanken darüber gemacht hat, wozu man sich berufen fühlt.

In manchen Fällen steckt kein philosophisches Dilemma hinter einem Gap Year: Die Abiturnote reicht schlicht nicht, um unmittelbar im gewünschten Studiengang einsteigen zu können. Doch schon Goethe sagte: „Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.“ Warum sollte man also die Wartesemester nicht dazu nutzen, praktisches Know How und pure Lebenserfahrung zu sammeln? Falls du noch keine Idee haben solltest, wohin dein Weg gehen soll, findest du in diesem Artikel einige Anregungen.

Au Pair: kinderlieb und anpassungsfähig

Bestimmt kennst du die eine oder andere Person, die einmal als Au Pair tätig war und dir den Tipp gegeben hat, dass du es bereuen könntest, wenn du eine solche Chance nicht nutzt.

Doch wie definiert sich eigentlich die Tätigkeit eines Au Pairs? In einer solchen Rolle betreut man die Kinder einer Gastfamilie und hilft im Haushalt mit. Als Entlohnung kann man neben Kost und Logis ein Taschengeld erhalten. Typisch für Au Pairs ist es, dass die Personen selbst kinderlos, unverheiratet und zwischen ca. 17 und 30 Jahre alt sind. Für die einzelnen Länder gibt es feste Bestimmungen: Will man beispielsweise als Au Pair in den USA tätig sein, darf man ein Alter von 26 Jahren nicht überschreiten (Quelle).

Eine Stelle als Au Pair zu finden, ist heute recht leicht, wenn man dem gewünschten Profil entspricht (mehr dazu unten): Websites wie AuPairworld.com oder Aupair.com helfen Familien und künftigen Au Pairs dabei, zusammenzufinden. Häufig wird, bevor ein Au Pair engagiert wird, ein Vorauswahlgespräch per Skype geführt.

Die Vorteile einer Zeit als Au Pair

  • Es gibt kaum eine bessere Chance, eine Sprache zu lernen, als bei einem Aufenthalt in dem entsprechenden Land. Während du im Schulunterricht häufig von Lehrern unterrichtet wurdest, die selbst keine Muttersprachler sind, bist du als Au Pair dazu gezwungen, tatsächlich mit Einheimischen zu sprechen. Dabei wirst du so einiges aufschnappen, was nicht einmal dein Lehrer gewusst hätte. Außerdem besteht in vielen Fällen die Möglichkeit, in dem jeweiligen Land begleitend zum Dasein als Au Pair einen Sprachkurs zu absolvieren. In manchen Ländern ist ein solcher sogar zwingend vorgeschrieben.
  • Bei künftigen Bewerbungen kannst du außerdem deine Erfahrungen in Sachen interkulturelle Kompetenz betonen, wenn du mal als Au Pair tätig warst.

Check: Bin ich als Au Pair geeignet?

1. Du musst Kinder wirklich gern mögen und je nach den Voraussetzungen auch möglichst viel (Vollzeit-)Erfahrung in deren Betreuung mitbringen.

2. Um sich in einer fremden Familie wohl zu fühlen, sollte man eine große Portion Toleranz besitzen und darf keine großen Ansprüche stellen. Wer beispielsweise Vegetarier ist, wird nur dann gute Vermittlungschancen haben, wenn er/sie dazu bereit ist, für die Kinder Nicht-Vegetarisches zuzubereiten. Und: Nicht jeder hat Glück mit seiner Au Pair-Familie: Wer sich durch Berichte ehemaliger Au Pairs liest, kann auf Bemerkungen stoßen wie „Es war Schimmel an den Wänden meines Zimmers“, „Die Gastfamilie war mir unsympathisch“ oder „Es gab nicht genügend zu essen für mich“.

3. Raucher werden von vielen Au Pair-Familien abgelehnt. In den USA stellt es sogar eine Grundvoraussetzung für ein Au Pair da, Nichtraucher zu sein.

4. Ein eigener Führerschein und viel Fahrpraxis sind ein deutlicher Pluspunkt als Au Pair und verbessern deine Vermittlungschancen beträchtlich. Weitere Kriterien, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass du eine Gastfamilie finden wirst: das Spielen eines oder mehrerer Musikinstrumente sowie weitere Hobbys, die zur Unterhaltung und Förderung von Kindern beitragen könnten.

Nach dem Abitur Au Pair
Bildquelle: www.istockphoto.com / fizkes

BFD (Bundesfreiwilligendienst): eine Lösung für unterschiedlichste Interessen

Ersatz für die 2011 abgeschaffte Wehrpflicht ist der Bundesfreiwilligendienst, welcher für Männer und Frauen offen ist. Der BFD kann ganz unterschiedlich interessierten Personen zu praktischer Erfahrung verhelfen: Wer sich gern für das Allgemeinwohl engagieren möchte, kann im Rahmen des Programms auswählen, ob er sich im sozialen, ökologischen, kulturellen oder sportlichen Bereich bzw. im Bereich der Integration oder im Zivil- oder Katastrophenschutz einsetzen will.

  • Sich die Berufswahl erleichtern oder ausprobieren, ob man für ein bestimmtes Studienfach geeignet ist? Das alles ist möglich mit dem BFD. Es ist nur wichtig, dass man sich ausreichend Zeit für die Stellensuche nimmt und Alternativen abwägt. Denn nicht jeder ist beispielsweise dazu in der Lage, auf Senioren sympathisch zu wirken oder Kinder bei Laune zu halten. Einen guten Überblick über die Vielfalt der Einsatzgebiete geben diese Ausführungen zu den Einsatzfeldern.
  • Voraussetzung, um am Bundesfreiwilligendienst teilzunehmen ist, dass man die Vollzeitschulpflicht erfüllt hat, also je nach Bundesland mindestens 15 oder 16 Jahre alt ist. Nach oben hin gibt es keine Altersgrenze (Quelle).
  • Im Normalfall wird der Bundesfreiwilligendienst in Vollzeit abgeleistet. Ist die Person über 27 Jahre alt, ist es jedoch auch möglich, in Teilzeit tätig zu sein. In solchen Fällen gilt dann oft eine Mindeststundenzahl pro Woche (z. B. 20 Stunden).
  • Leistungen, die von den Einsatzstellen erbracht werden, sind stets freiwillig. Beispielsweise kannst du Unterkunft, Verpflegung oder Taschengeld (maximal 402 € monatlich) erhalten.
  • Stellen für den BFD findest du in der offiziellen Stellenbörse.

FSJ (freiwilliges soziales Jahr): überraschend vielseitig

Goethe sagte auch: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut.“ Möglicherweise aus diesem Grund steht für viele Personen fest, dass sie nach dem Abi erst einmal im sozialen Bereich arbeiten wollen. Eine solche Lebenserfahrung macht sich unabhängig von der zukünftigen Laufbahn gut im Lebenslauf: Soziale Kompetenzen sind in allen Branchen gefragt.

  • Wie der Name schon sagt, wird man im Rahmen eines FSJ in den meisten Fällen im sozial-karitativen oder gemeinnützigen Bereich eingesetzt, doch seit Neufassung des FSJ-Gesetzes sind auch Tätigkeiten in den Bereichen Denkmalpflege, Kultur oder Sport möglich.
  • Das Programm steht allen Menschen offen, die jünger als 27 Jahre sind. Die gesetzlichen Grundlagen finden sich – wie auch die des FÖJ – im Jugendfreiwilligendienstgesetz (JFDG)
  • Die Höhe des individuellen Taschengelds wird vom jeweiligen Träger bestimmt. Hinzu können Verpflegung, Unterkunft und Fahrtkostenerstattung kommen.
  • Weitere Infos zum FSJ findest du auf der offiziellen Website.
  • Wer gern ins Ausland gehen möchte, kann am Internationalen Jugendfreiwilligendienst teilnehmen. Ein Einsatz ist tatsächlich in allen Ländern der Welt möglich, solange für das Land keine Reisewarnung besteht. In der Praxis dieses Programms übt man einfache Hilfstätigkeiten aus. Die Bereiche, in denen der Internationale Jugendfreiwilligendienst möglich ist, sind vielfältig: Soziales, Kultur, Sport, Denkmalpflege, Ökologie, Bildungswesen, Friedens- und Versöhnungsarbeit sowie Demokratieförderung (Quelle).

FÖJ (freiwilliges ökologisches Jahr): ökologisch orientieren

„Die Welt ist so schön und wert, dass man um sie kämpft.“ Zu Hemingways Lebzeiten gab es das freiwillige ökologische Jahr zwar noch nicht, doch diese Variation des FSJ wurde immerhin bereits 1986 eingeführt, also in einer Phase, in der klar wurde, dass ein Kampf um die Welt im Sinne von Umweltschutz tatsächlich erforderlich ist.

Bevor du die Hochschule (im richtigen Studiengang) unsicher machst, willst du in deiner Orientierungsphase gern aktiv etwas für den Umweltschutz tun? Wenn du am FÖJ teilnimmst, kannst du z. B. in einem Naturschutzverband, auf einer Tierpflegestation oder in einem Naturpark tätig sein. Sinnvoll ist es, eine Einrichtung zu wählen, deren Gegenstand dich besonders interessiert. Laut Angaben der offiziellen Website stehen bei diesem Angebot die ökologische und politische Bildung im Zentrum.

Freiwilliges ökologisches Jahr - für die Orientierung nach dem Abitur
Bildquelle: www.istockphoto.com / conceptualmotion

Praktikum: einen Bereich (und sich selbst) kennenlernen

Ein Praktikum ist zwar weniger attraktiv für deinen Geldbeutel als das Jobben, doch es hilft dir dabei, Erfahrungen zu sammeln, die für deinen künftigen Werdegang wegweisend sein können. Klar, du kannst auch beim reinen Jobben wichtige Erfahrungen sammeln (Beispiel: „Inbound-Callcenter liegt mir überhaupt nicht“), doch werden die Aufgaben, die du während eines Praktikums vorgesetzt bekommst, in der Regel vielfältiger sein. In der Folge wirst du nicht nur wertvolle Einblicke in den jeweiligen Bereich erhalten, sondern auch herausfinden, wo deine Talente liegen. Damit du diese Chance optimal für dich nutzen kannst, ist es wichtig, dir viel Zeit für das Finden einer optimalen Praktikumsstelle zu nehmen. Denn nach wie vor gibt es unter den Unternehmen schwarze Schafe, die ihre Praktikanten Kaffee kochen und andere Aufgaben erledigen lassen, bei denen man nichts lernt (mehr zum Thema findest du hier im Artikel „was im Praktikum wirklich zählt„.

Im Idealfall absolvierst du dein Praktikum bei einem Unternehmen, das für dich als späterer Arbeitgeber infrage kommt. Denn hat man bereits während eines Praktikums bewiesen, dass man in der Arbeitswelt bestehen und sich in ein Unternehmen integrieren kann, so wird dir dies möglicherweise einen Vorsprung bei der Bewerbung auf künftige Stellen verschaffen.

Tipp: Wenn du nicht auf Anhieb eine Praktikumsstelle findest, bei der deine wahren Talente zum Vorschein kommen, dann ist das kein Grund zur Panik: In vielen Fällen sind mehrere Praktika erforderlich, bis man den optimalen Arbeitsbereich für sich entdeckt.

Jobben: Tausche Zeit gegen Geld

Manche Abiturienten sehnen sich nach einem Ausgleich zur vielen Theorie der Oberstufe und wollen statt einer nahtlos anschließenden Ausbildung an einer Hochschule lieber die geballte Portion Lebenserfahrung sammeln. Während die einen Abiturienten dabei austesten wollen, ob der gewählte Studiengang der richtige ist, scheint den anderen jede noch so monotone Beschäftigung gut genug, um etwas Geld sparen zu können. Auch hinsichtlich einer Studienfinanzierung kann es von Vorteil sein, vor dem Studium zu jobben: Vielleicht willst du dich gleich vorab informieren, ob die Position auch in Teilzeit zu flexiblen Einsatzzeiten besetzt werden kann.

Ein Tipp für die Wankelmütigen unter euch: Während der vorzeitige Abbruch eines zeitlich festgelegten Programms (wie des BFD oder des FSJ) Personaler, die euren Lebenslauf künftig sichten werden, an eurem Durchhaltevermögen zweifeln lassen können, ist die Kündigung eines Jobs wesentlich leichter nachzuvollziehen.

Jobben nach dem Abitur
Bildquelle: www.istockphoto.com / Wavebreakmedia

Auslandsaufenthalt: Lebenstraum und Karriere-Booster

Der Traum vieler Abiturienten: eine halb- oder einjährige Auszeit. Einfach als Bagpacker durch unterschiedliche Gegenden reisen und Abenteuer erleben! Gerade nach dem Abi, wenn viele Schulabgänger noch bei ihren Eltern wohnen, bietet sich die perfekte Gelegenheit, sich diesen Lebenstraum zu erfüllen, denn man muss sich nicht darum kümmern, wo das Hab und Gut untergebracht wird, und man muss auch keine Miete zahlen. Zudem bestehen in dieser Lebensphase meist keine anderen Verpflichtungen wie ein fester Job.

Auch im Lebenslauf macht sich ein Auslandsaufenthalt gut, wenn man dabei vertiefte Sprachkenntnisse erworben hat und aufgrund dieser Erfahrung zudem über eine besonders gut ausgeprägte interkulturelle Kompetenz verfügt.

Doch wie finanziert man einen Auslandsaufenthalt? Vielleicht hast du schon eine Idee, wie du vor Ort Geld verdienen könntest. In vielen Ländern ist dafür ein Arbeitsvisum erforderlich. Wichtig ist auf jeden Fall, dass du genügend Geld für ein Rückreiseticket auf einem Notfallkonto deponierst!

Studium Generale: das Schnupperstudium

Komplett auf die Orientierung konzentrieren? Das kostenpflichtige Salem Kolleg am Bodensee bietet die perfekte Option für alle, die gern studieren wollen, sich aber noch für kein Fach entschieden haben. Das Orientierungsjahr, das mit keinem akademischen Grad abschließt, bietet neben einem Studium Generale auch Outdoor Training. Fachlich stehen „vertiefende Einblicke in die Natur-, Geistes- und Gesellschaftswissenschaften“ (Quelle) auf der Agenda. Die sogenannten Kollegiaten wohnen in Wohngemeinschaften auf dem Campus, wobei sich jeweils zwei Personen ein Zimmer teilen. Voraussetzungen sind mindestens Fachabitur, die Bewerbung als Kollegiat sowie das Bestehen eines Auswahlgesprächs. Die regulären Gesamtkosten (inklusive Unterkunft, Verpflegung und Reisen) betragen bei frühzeitiger Bewerbung 26.000 € (Quelle).

Tipp: Auch Universitäten bieten ein Studium Generale an. Die entsprechenden Vorlesungen können zusätzlich zu denen des eigenen Studiengangs besucht werden. Am besten sollte man Lehrveranstaltungen eines Studium Generale jedoch in den ersten Semestern belegen, denn nicht selten kommt es vor, dass der Wunsch nach einem Wechsel des Studienfachs entsteht.

Fazit

Wichtige Aspekte, die du bei der Wahl der Gestaltung deines Orientierungsjahrs oder des jeweiligen anderen Zeitraums bedenken solltest, sind die folgenden: Wieviel Geld willst du verdienen? Soll das Angebot dir bei deiner Berufswahl behilflich sein oder dir den Einstieg in ein bestimmtes Studium erleichtern? Und falls ja: Welches Fach schwebt dir vor? Willst du an deinem Wohnort bleiben oder lieber Auslandserfahrung sammeln? Und dann stellen sich natürlich noch Fragen zum Inhalt: Soll es beispielsweise etwas Soziales sein, und wenn dann: Mit welcher Bevölkerungsgruppe willst du am liebsten zu tun haben?

Unklug ist es übrigens, sich bei der Wahl eines Programms ausschließlich auf Ratschläge aus dem Bekanntenkreis zu verlassen: Ausführliche Information und Recherche nach Erfahrungsberichten sind die halbe Miete, wenn man Abbrüche im Lebenslauf vermeiden will. Zusätzlich dazu solltest du dich so früh wie möglich erkundigen, welche Perspektiven in deinem Fall bestehen, damit du nicht auf den letzten Drücker die falsche Entscheidung fällst!

Aktuelle Jobangebote




Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form (generisches Maskulinum), z. B. „der Mitarbeiter“. Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung. Die verkürzte Sprachform hat redaktionelle Gründe und ist wertfrei.