Arbeitgeber-Bewertungen im Internet: Wie du sie richtig liest
Machst du das auch? Kaum hast du eine spannende Stellenausschreibung entdeckt, gibst du den potenziellen Arbeitgeber in eine Suchmaschine im Netz ein, um herauszufinden, welche Bewertungen er online so vorzuweisen hat. Nicht selten jedoch schockiert einen das, was man dort zu lesen bekommt. Die Frage: Wie geht man mit Arbeitgeber-Bewertungen im Internet um?
Inhaltsverzeichnis
Wow, die ausgeschriebene Position in einer Zoofachhandlung hört sich echt super an. Genau das, was man schon immer machen wollte. Doch die Arbeitgeber-Bewertungen des Unternehmens im Netz sind unterirdisch schlecht. Du traust deinen Augen kaum:
„Kollegen-Lästereien machen einem das Leben schwer. Wurde hier übelst gemobbt. Sauschlechte Stimmung!“
„Die Führungsetage ist ein Haufen inkompetenter Möchtegern-Machos. Selten so was Unprofessionelles erlebt.“
„Für ein richtig gutes und faires Betriebsklima in sozialer Hinsicht wird nichts getan.“
„Hier gilt: Hauptsache billig. Firma hat als Arbeitgeber außerdem schlechten Ruf in der Branche.“
„Leider weht von oben ein sehr rauer Wind.“
„Miese Bezahlung, null-komma-null Wertschätzung. Lieber großen Bogen um den Laden machen!“
Wer nach dieser Lektüre nicht stutzig wird, muss schon sehr hart im Nehmen sein. Natürlich gerät man da ins Grübeln: Lohnt es sich in diesem Fall überhaupt, eine Bewerbung an das Unternehmen zu verfassen und abzuschicken? Möchte man in so einem Laden wirklich arbeiten?
Oder aber: Stimmt das alles vielleicht gar nicht?
Studie: Jeder Zweite liest Bewertungen
Der Digitalverband Bitkom hat im Februar 2021 eine interessante Befragung zum Thema Arbeitgeber-Bewertungen durchgeführt. Dabei wurden 1.005 Personen ab 16 Jahren telefonisch befragt, darunter 854 Internetnutzer.
Die Ergebnisse:
- 47 Prozent der Internetnutzer haben sich schon einmal online über Bewertungen von Arbeitgebern auf Portalen wie kununu.com, glassdoor.de oder meinchef.de informiert. Zum Vergleich: Vor drei Jahren lag diese Zahl noch bei 36 Prozent.
- Eine knappe Mehrheit (52 Prozent) der berufstätigen Internetnutzer sagte, sie lese entsprechende Bewertungen.
- 44 Prozent aller Befragten, die sich in dieser Form über Arbeitgeber informiert hatten, gaben an, dass das ihre Entscheidung für einen Jobwechsel beeinflusst habe.
Spannend ist auch, wie sich solche Beurteilungen auf die Jobwechsel-Entscheidung von Arbeitnehmern konkret ausgewirkt haben. Die Befragten machten dazu folgende Angaben:
- 13 Prozent gaben an, die Beurteilungen hätten ihre Entscheidung nicht beeinflusst.
- 14 Prozent fühlten sich durch die Bewertungen in ihrer Jobwechsel-Entscheidung bestärkt.
- 12 Prozent hätten sich sogar aufgrund der negativen Arbeitgeberbewertungen im Netz gegen einen Stellenwechsel entschieden.
Und: Nicht jeder ist natürlich nur stummer Leser solcher Erfahrungsberichte. Von den aktuell berufstätigen Internetnutzern gaben 33 Prozent an, dass sie selbst schon einmal einen ihrer (Ex-)Arbeitgeber auf einem entsprechenden Bewertungsportal bewertet haben.
Die Neu-Gier siegt
Arbeitgeber-Bewertungen gewinnen für Bewerber also durchaus an Bedeutung. Kein Wunder: Wer eine Urlaubsreise plant, liest vorab die Hotelbewertungen ehemaliger Gäste; wer ein bestimmtes Produkt shoppt, informiert sich zunächst über die Kundenrezensionen. Und braucht man einen neuen Hausarzt, durchforstet man die medizinischen Bewertungsportale und führt sich Erfahrungsberichte anderer Patienten zu Gemüte, bevor man einen Termin vereinbart.
Es liegt nahe, sich bei Menschen, die bereits Erfahrungen mit denselben Produkten, Situationen oder Dienstleistungen gemacht haben, zu informieren. Man hofft dadurch, einen Einblick zu gewinnen, der einem eigentlich vorab verwehrt ist. Natürlich ist man neugierig, und so versucht man, sich durch die Meinung anderer ein eigenes Bild zu machen.
Früher war dieses Einholen von Erfahrungen auf den persönlichen Freundes- und Bekanntenkreis begrenzt. In unserem digitalen Zeitalter hat sich dieser Radius allerdings enorm erweitert: So kannst du jetzt auch Online-Bewertungen der Firmen-Mitarbeiter am taiwanesischen Standort lesen und ihre Unternehmenserfahrungen in deine Entscheidung zum Jobwechsel hierzulande einfließen lassen. Die Welt ist gefühlt viel kleiner geworden. Aber die erfahrene Realität dadurch auch viel komplexer, und nicht immer leichter einzuordnen.
In der Regel bestehen die Arbeitgeber-Bewertungen aus zwei Schemata: Einmal können für feststehende Kategorien Sternchen oder Punkte vergeben werden . Das sind zum Beispiel Aspekte wie Vorgesetztenverhalten, interne Kommunikation, Teamzusammenhalt, Gleichberechtigung, Büroausstattung, Gehalt, Benefits u.v.m. Aus dem Ranking der einzelnen Positionen wird dann in der Regel ein Gesamtscore für das Unternehmen ermittelt.
Zum anderen gibt es eine Freitexteingabe, wo Mitarbeiter individuelle Beurteilungen formulieren und veröffentlichen können.
Wie interpretiere ich Arbeitgeber-Bewertungen richtig?
Subjektive Wahrnehmung
Ein Problem der Erfahrungsberichte liegt ganz einfach in der subjektiven Erfahrung. Jeder, der in einem Unternehmen tätig ist, hat seine eigenen Erlebnisse mit Vorgesetzten, seine Teamerfahrungen, seine individuellen fachlichen Problematiken. Und zudem seinen ganz eigenen Blick darauf. Sicher hast du auch schon des Öfteren festgestellt, dass es Situationen im Arbeitsleben gibt, die du beispielsweise als sehr unangenehm einstufst, die jedoch bei deinem Kollegen nur ein lockeres Achselzucken hervorrufen. Das hängt mit unserer individuellen Bewertungsmatrix zusammen. Jedem Menschen sind verschiedene Dinge unterschiedlich wichtig; und dementsprechend variabel reagieren wir auch darauf.
Findet es ein Mitarbeiter zum Beispiel untragbar, dass der Chef alle Präsentationen seiner Mitarbeiter vorab kontrollieren möchte, so ist ein anderer Kollege sehr froh darüber, noch einmal intern ein Feedback zu bekommen, bevor er seinen Vortrag vor wichtigen Kunden hält.
Kurzum: Die gleiche Situation lässt sich durchaus sehr unterschiedlich bewerten. Was der eine als schrecklich empfindet, muss also nicht zwangsläufig deiner Wahrnehmung entsprechen. Schon allein deshalb kannst du solche Online-Bewertungen nicht eins-zu-eins als Realität gelten lassen.
Standort- oder abteilungsabhängige Themen
Zudem solltest du berücksichtigen, dass die Arbeitnehmer auf den Portalen immer aus ihrem direkten Umfeld berichten. Das heißt, dass die empfundene Situation auf dieses konkrete Team, diese spezielle Abteilung oder den einen Chef zutrifft – egal, ob es sich um schlechte oder positive Bewertungen handelt. Würdest du in dem Unternehmen einen Job anfangen, hättest du womöglich mit all diesen Personen oder Umständen gar nichts zu tun. Die Einschätzungen könnten also für dich völlig irrelevant sein.
Je größer die Firma, desto genauer musst du beim Lesen der Bewertungen darauf achten, ob sich erkennen lässt, worauf der Schreiber sich bezieht. Geht es in der Bewertung zum Beispiel um eine ganz andere Niederlassung, kann diese Beurteilung für dich uninteressant sein. Denn von Standort zu Standort kann die Betriebszufriedenheit sehr unterschiedlich ausfallen.
Motivation berücksichtigen
„Rache ist süß“, dieser Ausspruch trifft auch auf so manchen geschassten Ex-Mitarbeiter zu. Klar ist: Generell ist die Motivation, eine Bewertung zu schreiben, bei unzufriedenen Mitarbeitern größer als bei zufriedenen. Denn erstere haben Ärger, wollen ihren Frust loswerden oder sich eben schlicht und ergreifend rächen. Und das können sie ja auch relativ gefahrlos tun: Denn die Beurteilungen dürfen online anonym abgeben werden. Vor allem, wenn man noch in einem Beschäftigungsverhältnis steht, ist das für viele ein wichtiger Punkt, um mal respektlos vom Leder zu ziehen. Die Anonymität kann zwar zu mehr Ehrlichkeit führen, aber natürlich auch zum Gegenteil – bzw. zu maßloser Übertreibung.
Geht die Wortwahl sehr unter die Gürtellinie und wird richtig beleidigend, sollte man solche Bewertungen immer mit Vorsicht genießen. Dahinter steckt dann vermutlich in erster Linie ein stark verletztes Ego, das nicht mehr objektiv urteilen kann.
Zufriedene Arbeitnehmer sehen hingegen oftmals gar keinen Beweggrund, eine Bewertung online abzugeben. Außer, der Arbeitgeber fordert sie explizit dazu auf bzw. verspricht sogar interne Belohnungen für positive Beiträge auf entsprechenden Bewertungsportalen. Ob man diese Beiträge dann allerdings wieder für bare Münze nehmen kann, sei dahingestellt … Immer mehr Firmen agieren mittlerweile in diese Richtung. Sie befürchten durch schlechte Online-Bewertungen einen Imageschaden und versuchen, so gegenzusteuern. Auch diesen Aspekt solltest du beim Lesen der Portale im Hinterkopf behalten.
Ein Fünkchen Wahrheit …
Generell ist also ein gesundes Maß an Skepsis angebracht, wenn du dich über einen potenziellen Arbeitgeber vorab auf Bewertungsportalen im Internet informierst. Schaffst du es jedoch, die subjektiven Beurteilungen mit dem gebotenen Abstand zu lesen und sie mit Vorsicht zu genießen, können sie durchaus hilfreich sein. In vielen Fällen steckt doch ein Fünkchen Wahrheit im Gesamt der Beurteilungen; vieles ist vermutlich nicht so extrem schlecht, wie es dargestellt wird, und manches auch nicht so übertrieben gut, wie dort formuliert.
Ein Tipp: Beachte unbedingt auch die Anzahl der abgegebenen Bewertungen! Ist sie relativ hoch, so kann dir der zusammengefasste Score, den du bei den meisten Bewertungsportalen als Übersicht angezeigt bekommst, durchaus einen Eindruck von der Unternehmenszufriedenheit der Mitarbeiter geben.
Je größer die Zahl derer, die ihre Meinung abgegeben haben, desto breiter ist sozusagen die Stichprobe und desto eher bildet sie eventuell die Realität ab.
Alles Recht so?
Dass man mit diversen Bewertungen im Internet jede Menge Schaden anrichten kann, ist inzwischen kein Geheimnis mehr. Auch immer mehr Firmen fürchten diesbezüglich um ihren guten Ruf und ihr positives Branding. Denn: Aus schlechten Arbeitgeber-Bewertungen können durchaus massive Probleme bei der Stellenbesetzung resultieren.
Doch wie sieht es rechtlich aus?
Prinzipiell dürfen Arbeitnehmer sich auf Online-Portalen wie Kununu, Glassdoor oder Meinchef über ihren Arbeitgeber äußern. Das ist durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gesichert. Denn Artikel 5 im Grundgesetz schützt mit der Meinungsfreiheit das Recht auf freie Rede und freie Äußerung von Meinungen jeglicher Form.
Das heißt jedoch nicht, dass man automatisch alles und in jeder Form äußern darf. Eine Grenze zieht die Rechtsprechung dann, wenn Äußerungen als unwahre Tatsachenbehauptungen zu identifizieren sind oder aber eine Beleidigung oder Schmähkritik darstellen. Dies muss natürlich immer im Einzelfall beurteilt werden. Jedoch können in diesen Fällen die Plattformen unter Umständen zur Herausgabe der Bestands- und Nutzungsdaten des Beurteilenden verpflichtet werden, oder zumindest zur Löschung der Aussagen.
Beispiel:
Das Oberlandesgericht Celle verpflichtete kürzlich eine bekannte Bewertungsplattform, der Klägerin – in diesem Fall eine Firma der IT-Branche mit 25 Mitarbeitern – Auskunft über die Daten eines Nutzers (IP-Adresse, Zeitpunkt des Hochladens des Kommentars, Mail-Adresse) zu geben, der eine Firmenbeurteilung auf dem Portal hinterlassen hatte (OLG Celle, Beschluss v. 07.12.2020, Az. 13 W 80/20). Ausschlaggebend dafür war der Inhalt der Behauptungen: Das Unternehmen hätte Mitarbeitergehälter nicht rechtzeitig bzw. überhaupt nicht bezahlt. Die Tatsachenbehauptungen, dass die Firma nicht willens oder nicht in der Lage dazu sei, Verpflichtungen zu Gehaltszahlungen nachzukommen, könne unter Umständen den Kredit des Unternehmens gefährden. Und die Kreditgefährdung verletze nach Ansicht der Richter das Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Firma und ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
Mittlerweile machen auch immer mehr Betriebe davon Gebrauch, beleidigende Kritik oder aus ihrer Sicht falsche Behauptungen von den Bewertungsportalen löschen zu lassen. Es gibt inzwischen Anwaltskanzleien, die sich auf dieses Segment spezialisiert haben und ihre Klienten dahingehend unterstützen.
Fazit
Spannend zu lesen sind sie allemal, die Arbeitgeber-Bewertungen im Internet. Suchst du eine neue Stelle und hast einen interessanten potenziellen Arbeitgeber gefunden, kannst du mit wenigen Klicks auf den entsprechenden Portalen in Beurteilungen von Mitarbeitern der Unternehmen stöbern. Aber Achtung: Diese Informationen solltest du mit Vorsicht genießen. Nicht alle Behauptungen, die du dort findest, müssen der Wahrheit entsprechen. Verlasse dich also niemals allein auf solche Bewertungen, sondern lasse sie maximal als ein Detail in dein Gesamtbild vom Unternehmen einfließen.
Quellen:
bitkom.org, lhr-law.de
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Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form (generisches Maskulinum), z. B. „der Mitarbeiter“. Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung. Die verkürzte Sprachform hat redaktionelle Gründe und ist wertfrei.
Veronika ist Redakteurin und Content-Managerin. Sie hat Kommunikationswissenschaften, Arbeits- und Organisationspsychologie sowie Französische Sprachwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität in München studiert und ist bereits über 15 Jahre journalistisch in Print und online unterwegs. Für careeasy – Dein Karriere-Magazin von stellenanzeigen.de recherchiert und schreibt Veronika zu Themen rund um Studium & Ausbildung, Karriere, Gesundheit im Job und Arbeitsrecht.