Kennst du das auch: Bewundernd, aber auch ein bisschen genervt lauschst du deinem Freund, der dir mal wieder von seinem Job vorschwärmt. In seinem Monolog jagt ein Superlativ den anderen. Die Arbeit, die er macht, ist einfach „genau das, was er sich schon immer erträumt hat“ – ja, er könne es jetzt guten Gewissens endlich sagen: Er sei angekommen. Er hat endlich seine Berufung gefunden.

Er lebt seinen Traum!

Tolle Sache das, oder? Prinzipiell freut man sich ja gerne mit jemandem, vor allem aus dem Freundeskreis. Wäre da nur nicht immer dieser kleine fiese nagende Neidfaktor, der sich nach solchen Selbstverwirklichungsbeichten im Umfeld still und heimlich bei einem breit macht. Warum der – und nicht ich? Was mache ich falsch? Klar, meine Arbeit macht (meistens) Spaß, ich habe nette Kollegen, aber ganz ehrlich: Mein Lebensglück hängt nicht davon ab. Was ich beruflich mache, tue ich gerne – aber zur passionierten Berufung mit Heiligenschein sind da noch einige Kubikmeter Luft.

Unweigerlich fragt man sich: Sollte ich da nicht ganz schleunigst was ändern?

Kaum hat man den Blick auf dieses Thema fokussiert, scheinen sie ja an allen Ecken und Enden zu lauern: Die selbstverwirklichten Almbewirtschafterinnen, die Saison für Saison von frischer Ziegenmilch und lauer Alpenluft allein glücklich werden; die passionierten Gaming-Entwickler, die ihren Kindheitstraum konsequent in Kellerzimmern vor Bildschirmen verfolgt haben und nun mit „Spiel, Spaß & Spannung“ jede Menge Kohle verdienen; oder die tiefenentspannten Yogalehrer, die ihre Reiselust auf Indien- und USA-Workshops ausleben und ganz nebenbei sich selbst und die ganze Welt ein wenig besser atmen – Glücksflow immer inklusive, versteht sich von selbst.

Spätestens jetzt ist der Startschuss für die eigene Grübelei losgegangen:
Was wollte man denn früher werden?

Kindheitsfantasien werden hervorgekramt: Gärtner, Lehrerin, Bürgermeister – aha. Na gut, mittlerweile besitzt man für die meisten dieser Optionen zu viel Realismus, um sie als „Traumjob“ durchgehen zu lassen. Aber es gab doch sicher irgendetwas, was man schon immer besonders gut konnte? Trampolinspringen, Blockflöte spielen, Vorlesen – okay, sich daraus eine Berufung zu stricken, wird eine echte Herausforderung.

Da hilft nur eins: Die Flucht ins kleine Glück. Und die richtige Perspektive 🙂

Prinzipiell geht man an den meisten Tagen ja doch gerne arbeiten, auch wenn man sich ab und an schon sehr auf den Urlaub freut. Und ganz unter uns: Ein verregneter Almsommer mit jeder Menge harter Arbeit und nervigen Tagestouristen aus der Stadt? Oder nicht enden wollende Arbeitsnächte vor dem PC, weil die passionierte Kreativität in einem unbedingt zu ihrem Recht kommen muss? Und erst letztens hat sich eine Freundin beim Yoga dermaßen verrenkt, dass sie anschließend acht Therapiestunden beim Osteopathen nötig hatte – von wegen Flow, eher Blockade.

Alles eine Frage der Sichtweise eben. Zu viel positive Energie hat mich ja schon immer misstrauisch gemacht. Und klar ist auch: Manchmal liegt die Kunst des Glücklichseins auch darin, das eigene Glück erkennen zu können.

Also: Augen auf!

Eure Veronika


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