In Deutschland nehmen Arbeitszeugnisse einen hohen Stellenwert ein: Bewerbungen mit guten Zeugnissen sind erfolgreicher, da sich der künftige Arbeitgeber ein besseres Bild von dem potenziellen Mitarbeiter machen kann. Doch manchmal hat man einfach kein Zeugnis oder es ist schlicht nicht vorzeigbar. Dann stellt sich dir die Frage: Macht eine Bewerbung ohne Arbeitszeugnis, Abiturzeugnis oder Abschlusszeugnis überhaupt Sinn?

Gründe, warum ein Bewerber kein Zeugnis vorlegen kann

  1. Der Bewerber war eine Weile lang im Ausland, und ihm wurde kein Zeugnis ausgestellt.
  2. Dem Bewerber liegen zwar Zeugnisse vor, doch sie sind so schlecht, dass er sich bei ihrer Vorlage schämen muss bzw. dadurch einen Nachteil für sich vermutet.
  3. Der Bewerber ist schon lange in ein und derselben Position und will seinen Chef nicht nach einem Zwischenzeugnis fragen.
  4. Die Person, die sich bewirbt, ist seit Jahren selbstständig und kann deshalb keine Zeugnisse vorlegen.
  5. Das Startup, bei dem die Person tätig war, hat versprochen ein Arbeitszeugnis auszustellen, hat aber kurz danach Insolvenz angemeldet.

In diesem Artikel gehen wir 8 unterschiedliche Fallkonstellationen mit Bewerbungen ohne Zeugnisse durch und bieten jeweils einen Lösungsvorschlag an.

Bewerbung ohne Zeugnis
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Acht Beispielsituationen für fehlende Unterlagen

1. Bewerbung ohne Schulabschlusszeugnis

Beispiel 1:

Susanne hat ein schlechtes Abiturzeugnis. Sie will sich auf eine Werkstudentenstelle bewerben, und zwar ohne Vorlage des Zeugnisses der Allgemeinen Hochschulreife.

Geht es um eine Werkstudentenstelle oder ein Praktikum, werden nicht in allen Fällen Zeugnisse erwartet, da die Personalverantwortlichen häufig froh sind, die Stelle überhaupt sinnvoll besetzen zu können. Das Fehlen von Bewerbungsunterlagen wird daher bei Studentenjobs oftmals etwas lockerer gesehen, weshalb ein einfacher Lebenslauf ausreichen kann. In manchen Fällen fährt man dann durchaus günstiger damit, ein sehr schlechtes Zeugnis gar nicht beizufügen, als es vorzulegen.

2. Bewerbung ohne Arbeitszeugnis

Beispiel 2:

Thomas arbeitet seit zehn Jahren für eine Metallbaufirma. Er würde sich gern beruflich verändern, hat sich aber kein Zwischenzeugnis ausstellen lassen, da er nicht will, dass sein Arbeitgeber frühzeitig von seinem Wunsch nach einem Jobwechsel erfährt.

„Wer viele Jahre lang für eine Firma tätig ist, ohne gekündigt worden zu sein, wird seine Arbeit nicht allzu schlecht machen“, könnte der eine oder andere Personaler denken. Aus diesem Grund kann auch diese Bewerbung von Erfolg gekrönt sein. Die lange Firmenzugehörigkeit spricht schließlich in gewissem Maß für sich. Dennoch macht es Sinn, sich nach mehrjähriger Tätigkeit für ein Unternehmen ein Zwischenzeugnis ausstellen zu lassen. Denn auch die wohlwollenden Vorgesetzten, die die Glanzleistungen des Mitarbeiters beobachten durften, könnten das Unternehmen früher oder später verlassen. Ca. alle drei Jahre, bei einem Chefwechsel generell und wenn sich dein Aufgabenbereich stark verändert hat, solltest du dir deshalb immer ein Arbeitszeugnis ausstellen lassen – egal, ob du schon planst, den Job zu wechseln, oder nicht. In jedem Fall wird eine Bewerbung mit einem guten Arbeitszeugnis immer bessere Chancen haben als ohne.

Beispiel 3:

Sven ist seit vielen Jahren selbstständig und hat deshalb keine Arbeitszeugnisse vorzuweisen. Er will jedoch zusätzlich zu seiner Selbstständigkeit in einer Festanstellung arbeiten.

Selbstständigen werden häufig zusätzliche Qualifikationen nachgesagt, etwa Kompetenzen in Betriebsführung oder Rechnungswesen. Zudem sind Selbstständige aufgrund bestimmter Soft Skills für manche Stellen besser geeignet als Personen, die ihr Leben lang festangestellt waren. Allerdings kann es dennoch sein, dass dem künftigen Arbeitgeber eine zweite Meinung in Form eines Arbeitszeugnisses fehlt. Um dennoch einen seriösen Eindruck zu machen, können eine hochqualitative Firmenhomepage und eventuell auch eine Veröffentlichung der Geschäftszahlen dazu beitragen, dass der Bewerber verbindlich wirkt. Außerdem sollte die Selbstständigkeit im Lebenslauf detailliert beschrieben werden. Eine weitere Möglichkeit ist, als Selbstständiger statt eines Arbeitszeugnisses positive Kundenbewertungen oder Feedbacks von erfolgreichen Aufträgen zu präsentieren.

Beispiel 4:

Miriam war vier Jahre lang im Ausland tätig und hat dort kein Zeugnis erhalten. Ihre Bemühungen, im Nachgang ein Zeugnis einzufordern, verlaufen allesamt ins Leere.

Wenn du von einer Arbeitsstelle – aus welchen Gründen auch immer – kein Zeugnis erhalten hast, musst du dir überlegen, wie du damit in deinen Bewerbungsunterlagen umgehst. Keine so gute Idee ist es, im Lebenslauf oder im Anschreiben bei der Position zu vermerken „Es liegt kein Zeugnis vor“, da diese Aussage den Umstand hervorhebt und zu Spekulationen über die Gründe führen könnte. Wenn dir ein Arbeitszeugnis zeitnah zugesichert, jedoch noch nicht ausgestellt wurde, kannst du im Lebenslauf an der entsprechenden Position jedoch anmerken, dass ein Zeugnis (noch) nicht ausgestellt wurde und eventuell nachgereicht werden kann. Das funktioniert allerdings nur, wenn es sich um ein nur kurz zurückliegendes Arbeitsverhältnis handelt. Andernfalls wirst du es ohne Zeugnis versuchen bzw. im Gespräch einfach kurz erläutern müssen, dass dir kein Zeugnis ausgestellt wurde.

Anders verhält es sich, wenn du ein schlechtes Arbeitszeugnis von einem ehemaligen Arbeitgeber erhalten hast. Kannst du bereits mehrere verschiedene Stationen in deinem Berufsleben nachweisen, hast du vielleicht Glück, und das fehlende Arbeitszeugnis fällt weniger ins Gewicht. Wirst du danach gefragt, kannst du natürlich auch immer behaupten, dir wäre (noch) kein Zeugnis ausgestellt worden. Aber Vorsicht: Einen guten Eindruck vermittelt das auch nicht.

Beispiel 5:

Lydia will eine besonders diskrete Bewerbung schreiben und anonymisiert deshalb alle Arbeitgeber, auch den aktuellen, in ihrem Lebenslauf. Natürlich legt sie der Online-Bewerbung auch keine Zeugnisse bei.

Wenn sich jemand aus einer ungekündigten Festanstellung bewirbt, handelt es sich um eine sogenannte „diskrete Bewerbung“. Manche Bewerber machen sich darüber Sorgen, dass die neue Firma bei dem aktuellen Arbeitgeber anrufen könnte und dadurch intern bekannt würde, dass man den Job wechseln will. In einer Minderheit der Fälle geschieht dies tatsächlich.

Deshalb kann man bei einer Bewerbung auch Anonymisierungen im Lebenslauf vornehmen. Das bedeutet beispielsweise, dass man den Firmennamen des aktuellen Arbeitgebers schwärzt. Allerdings kann das Personalverantwortliche auch immer ein wenig misstrauisch machen: So mancher potenzielle Arbeitgeber könnte Verdacht schöpfen, es gäbe aktuell Probleme in deinem Arbeitsverhältnis.

Einige Bewerber legen aus den gleichen Gründen kein aktuelles Arbeitszeugnis vor. Besser verfährst du jedoch in jedem Fall, wenn du dein Zeugnis beifügst (sofern du eines besitzt). Möchtest du unbedingt, dass dein aktueller Arbeitgeber nicht erkennbar ist, kannst du die entsprechenden Stellen auch im Arbeitszeugnis abdecken bzw. unkenntlich machen.

Personalerin runzelt Stirn und sieht Unterlagen durch - Bewerbung ohne Zeugnis
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3. Bewerbung ohne Berufsabschlusszeugnis

Beispiel 6:

Rita hat ihre Berufsausbildung zur Bürokauffrau leider mit der Note Vier abgeschlossen. Durch die schlechte Note befürchtet sie Nachteile im Bewerbungsprozess. Ihren Bewerbungen legt sie daher nur das gute Arbeitszeugnis ihres Ausbildungsbetriebes bei, nicht aber das Berufsschulzeugnis.

Speziell zu Beginn der Berufslaufbahn, sprich, wenn du noch sehr wenige Stationen aufzuweisen hast, fällt es natürlich extrem auf, wenn ein Zeugnis fehlt. Im Endeffekt wird der Betrieb, bei dem du dich bewirbst, Wert legen auf exakt diese beiden Zeugnisse: Berufsschulzeugnis und Arbeitszeugnis. Fügst du als Berufseinsteiger eines von beidem einfach nicht bei, macht das keinen guten Eindruck.

Spiele lieber mit offenen Karten und lege das Zeugnis bei. Du kannst auch versuchen, im Bewerbungsanschreiben offensiv und konstruktiv mit dem schlechten Zeugnis umzugehen. Zum Beispiel könntest du darauf hinweisen, dass dir durchaus bewusst ist, dass die Zeugnisnote nicht gut ausgefallen ist. Aber vielleicht hast du eine gute Begründung dafür, die jedoch natürlich keine negativen Auswirkungen auf den aktuellen Bewerbungsprozess bzw. die gewünschte Arbeitsstelle haben sollte. Du könntest zum Beispiel deine Praxisbefähigung unterstreichen und erwähnen, dass du dich im laufenden Betrieb bestens bewährt hast.

Je nach Einstellung des Betriebs, bei dem man sich bewirbt, kann man mit diesem Vorgehen durchaus Erfolg haben. Manche Unternehmen legen mehr Wert auf praktisches Können und bewerten eine nicht so gute schulische Leistung nicht als No-Go für den Job.

4. Bewerbung ohne Bachelorzeugnis & Co.

Beispiel 7:

Antonie hat ihren Bachelor nur „gerade so“ bestanden. Nun will sie sich ohne dieses Zeugnis bewerben.

Sollten andere Zeugnisse als das Abschlusszeugnis vorliegen, also beispielsweise Zeugnisse von Werkstudentenstellen und Praktika, und man bewirbt sich um eine minderqualifizierte Stelle, muss es kein großes Problem sein, wenn das Abschlusszeugnis fehlt. Anders sieht es aus, wenn man sich auf eine Stelle in der Wissenschaft bewirbt.

Wird man als Hochschulabsolvent eingestellt bzw. ist ein Universitätsabschluss verlangt, muss man damit rechnen, dass man zur Vorlage des Universitätszeugnisses aufgefordert werden kann. 

Beispiel 8:

Janine ist selbständig und auf der Suche nach einem einfachen Nebenjob. Aus diesem Grund legt sie ihr hervorragendes Fachhochschuldiplom nicht bei.

Wer sich für eine Stelle bewirbt, für die er klar überqualifiziert ist, kann ruhigen Gewissens die guten Hochschulzeugnisse weglassen und sich stattdessen als motivierter Bewerber präsentieren. Da es sich bei den fehlenden Dokumenten um Unterlagen handelt, die der künftige Arbeitgeber gar nicht anfordern wird, da die Stelle prinzipiell auch an Personen ohne Schulabschluss zu vergeben ist, werden in den meisten Fällen keine Probleme entstehen. Vermutlich sparst du somit dem Personaler einfach nur Zeit.

Fazit

Sicher, für fehlende Zeugnisse kann es viele verschiedene Gründe geben. Doch klar ist auch: Gute Zeugnisse öffnen Türen. Liegen solche Zeugnisse nicht vor, ist es wichtig, mit seinem Anschreiben klarzumachen, warum man trotzdem eine gute Besetzung für die jeweilige Stelle ist. Es gilt in diesem Fall die eigenen Soft Skills zu nennen sowie Erfolge aus dem bisherigen Berufsleben. Beschreibe zudem deine Tätigkeit im Anschreiben und im Lebenslauf und füge auch Referenzen ein. So kann sich der Personaler ein Bild von deiner bisherigen Berufserfahrung machen.

Einen Trost gibt es jedoch für Bewerber mit schlechten oder fehlenden Zeugnissen: Unterlagen verlieren mit der Zeit ihre Relevanz, da das aktuelle Zeugnis in der Regel das Interessanteste ist.


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Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form (generisches Maskulinum), z. B. „der Mitarbeiter“. Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung. Die verkürzte Sprachform hat redaktionelle Gründe und ist wertfrei.