EU-Ratspräsident – Amt für Gipfelstürmer mit Ausdauer
Warum kleine Brötchen backen, wenn es auch hoch hinaus gehen kann? Manch einer strebt eben von Beginn an nach Höherem. Und dann macht es durchaus Sinn, sich frühzeitig über die Chefposten auf dieser Welt zu informieren. Heute im Fokus: der EU-Ratspräsident. Was macht der eigentlich, und: Wie gelangt man an die Spitze des Europäischen Rates?
Inhaltsverzeichnis
Die wichtigsten EU-Organe
Zugegeben: Europa kann manchmal ziemlich verwirrend sein. Allein sich die ganzen Institutionen zu merken: Da gibt es die Europäische Kommission, den Europäischen Rat, den Ministerrat der Europäischen Union sowie das Europäische Parlament. Hut ab, wer diese Organe schon mal alle im Kopf behalten kann. Doch wer macht nun was? Spätestens hier steigt Otto Normalbürger in der Regel aus, denn jetzt wird es tatsächlich kompliziert. Spielst du allerdings mit dem Gedanken, später einmal eines der wichtigsten Steuerungsorgane der EU führen zu wollen, solltest du hier gerne weiterlesen.
Europäisches Parlament
Das europäische Parlament mit offiziellem Sitz in Straßburg ist die Vertretung der Völker und Menschen in Europa. Die Abgeordneten können die Bürgerinnen und Bürger selbst wählen: Dies geschieht für eine Amtszeit von fünf Jahren. Die nächste Europawahl findet im Jahr 2024 statt. Aktuell besteht das Europäische Parlament aus 751 Abgeordneten aus 28 Nationen und vertritt derzeit rund 500 Millionen Bürgerinnen und Bürger. Aus Deutschland befinden sich momentan 96 Abgeordnete im EU-Parlament. In Straßburg finden pro Jahr 12 jeweils viertägige Plenarsitzungen des Parlaments statt, Ausschüsse und Fraktionen tagen jedoch auch in Brüssel. Das Generalsekretariat des Parlaments hat seinen Standort in Luxemburg.
Das Parlament beschließt in erster Linie gemeinsam mit dem Ministerrat Gesetze, die in allen EU-Mitgliedsstaaten gültiges Recht sind.
Ministerrat der Europäischen Union
Hier sind die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten vertreten. Deshalb auch der Name „Ministerrat“: Tagt er, so treffen sich die Minister der Regierungen der 28 EU-Länder. Der Ministerrat spielt vor allem bei außen- und sicherheitspolitischen sowie wirtschaftspolitischen Themen eine bedeutende Rolle. Je nach Sachthema, zu dem der Rat einberufen wird, tagen die zuständigen Minister aus den EU-Ländern, sprich zum Beispiel alle Außenminister oder alle Finanzminister. Daraus ergeben sich immer wieder sehr unterschiedliche Zusammensetzungen dieses Organs.
Der Ministerrat ist gemeinsam mit dem EU-Parlament als Gesetzgeber tätig.
Europäische Kommission
Schalt- und Machtzentrale der EU ist die Europäische Kommission. Sie besteht aus 28 Mitgliedern, wobei jedes EU-Land ein Kommissionsmitglied entsendet. Die Amtszeit der Kommission beträgt 5 Jahre. Ein Mitglied hat den Vorsitz der Europäischen Kommission inne. Seit 1. Dezember 2019 ist die deutsche CDU-Politikerin Ursula von der Leyen Präsidentin der Europäischen Kommission. Sie ist damit die erste Frau an der Spitze dieser Institution.
Die EU-Kommission umfasst 40 Generaldirektionen und Dienststellen und hat ihren Sitz in Brüssel. Diese sind in weitere Direktionen und Referate unterteilt. Die 28 Kommissionsmitglieder sind also die obersten Dienstherren einer großen Behörde.
Die Aufgaben der EU-Kommission entsprechen in ungefähr denen einer nationalen Regierung – nur eben in Bezug auf Europa. Gerne wird sie auch als Exekutive bezeichnet, doch ihr Aufgabenfeld ist durchaus umfangreicher.
Europäischer Rat
Der Europäische Rat ist das Gremium der Staats- und Regierungschefs der europäischen Union. Er repräsentiert die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten und ist das offizielle Organ der Europäischen Union.
Wer gehört alles zum Europäischen Rat?
- die Staats- und Regierungschefs der einzelnen Mitgliedsstaaten
- der Präsident des Europäischen Rates
- der Präsident der Europäischen Kommission
Trifft sich der Europäische Rat, so spricht man auch gerne vom „EU-Gipfel“. Der Rat hat keine legislativen Kompetenzen, sprich er verabschiedet keine Gesetze. Er denkt eher im Großen und Ganzen, entwirft Strategieprogramme für die Entwicklung der EU und formuliert allgemeine Leitlinien der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Er wird auch als „Schrittmacher für die weitere Entwicklung der EU“ bezeichnet (Quelle: Europäisches Parlament).
Seit 2004 tagt der Europäische Rat ausschließlich in Brüssel. Er trifft sich ca. viermal pro Jahr und wird von seinem Präsidenten einberufen.
Was macht ein EU-Ratspräsident?
Eines ist klar: Willst du EU-Ratspräsident werden, solltest du dich auf jeden Fall mit Brüssel als Lebensmittelpunkt anfreunden können. Allerdings nicht für immer. Denn gewählt wird der EU-Präsident vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit für eine Amtszeit von 2,5 Jahren. Einmal darf er wiedergewählt werden, sodass sich daraus eine maximale Amtszeit von 5 Jahren ergibt. Du siehst also: Die Stelle ist nichts für die Ewigkeit. Du brauchst also unbedingt noch einen Plan B für die Zeit nach deiner EU-Ratspräsidentschaft.
Generell musst du dich natürlich in der hohen Politik zuhause fühlen und du solltest dort auch schon einige Jahre verbracht haben. In der Regel bringt ein EU-Rats-Chef sogar Erfahrung als Ministerpräsident eines Landes mit. Kennst du das politische Tagesgeschäft, sind auch die Aufgaben eines EU-Ratspräsidenten für dich zu meistern:
- Er führt den Vorsitz der Sitzungen und gibt wertvolle Impulse für die politische Strategieentwicklung.
- Er arbeitet eng mit dem Präsidenten der EU-Kommission zusammen und sorgt sich hierbei um Vorbereitung und Kontinuität der Arbeiten des EU-Rates.
- Selbstverständlich führt und leitet er seine Behörde und sorgt für den Konsens innerhalb des Gremiums.
- Er vertritt die EU nach außen in Angelegenheiten der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.
- Wichtig: Der EU-Ratspräsident darf zeitgleich kein nationales Amt bekleiden.
Der Weg zum Chefsessel
Um EU-Ratspräsident zu werden, kannst du keine spezielle Ausbildung oder ein fachspezifisches Studium absolvieren. Vielmehr musst du dich über Jahre in der Politik engagieren und beweisen. In der Regel führt der Weg für viele erfolgreiche EU-Politiker vom kleinen Partei-Landesverband über weitreichendere Ämter in Bundesland oder Landespolitik bis hin zu einem verantwortungsvollen Posten in einem EU-Gremium. Dabei musst du vor allem eines beweisen: Durchhaltevermögen.
Politik ist ein hartes Geschäft und du musst ständig konkurrieren. Außerdem bist du permanent unter Beobachtung, deine Außenwirkung ist entscheidend und du musst dich durchsetzen können. Zartbesaitete, dünnhäutige Menschen sind hier fehl am Platz. Eine gewisse Skrupellosigkeit gehört wohl auch zur Grundausstattung eines jeden erfolgreichen Politikers. Generell solltest du ein Machtmensch sein. Vorankommen ist wichtig für dich, und für dich zählen repräsentative Aufgaben mindestens genauso wie inhaltliche Herausforderungen. Das Privatleben stellst du dafür gerne mal hinten an.
Ein Blick auf die Werdegänge der bisherigen EU-Ratspräsidenten gibt vielleicht Aufschluss, wie es gelingen kann, auf diesen Posten zu kommen.
Herman Van Rompuy
Van Rompuy stammt aus Belgien und war 5 Jahre lang EU-Ratspräsident. Er gehörte der EVP (Europäische Volkspartei) an und bekleidete das Amt vom 1.12.2009 bis 30.11.2014.
Der Politiker studierte Philosophie und Betriebswirtschaftslehre und begann seine politische Karriere bereits mit 26 Jahren als nationaler stellvertretender Vorsitzender der Jugendorganisation seiner Partei in Belgien. Nach dem Studium arbeitete er unter anderem als Ökonom bei der Belgischen Nationalbank. Er bekleidete wichtige Ämter in der nationalen Politik, vom Berater über den Staatsminister bis hin zum Premierminister Belgiens. Im November 2009 wurde er zum ersten Ratspräsidenten der Europäischen Union gewählt.
Donald Tusk
Tusk stammt aus Polen und war von 1.12.2014 bis 30.11.2019 EU-Ratspräsident. Auch er vertrat die EVP.
Der Werdegang von Tusk ist durchaus ungewöhnlich. Er studierte zunächst Geschichte und war im Untergrund gegen das kommunistische Regime Polens aktiv. Unter anderem gründete er einen unabhängigen Studentenverband, der Teil der Gewerkschaftsbewegung „Solidarität“ um Lech Walesa war. Er war journalistisch tätig und hielt sich in den folgenden Jahren auch einige Zeit im Untergrund auf. Unter anderem arbeitete er auch als Brotverkäufer und Höhlenkletterer. Später gründete Tusk eine eigene Monatszeitschrift und war weiterhin politisch aktiv. Nach Zusammenbruch des kommunistischen Regimes in Polen wurde Donald Tusk Vorsitzender des Liberal-Demokratischen Kongresses, einer unternehmer- und europafreundlichen Partei in Polen. In den Neunzigerjahren wurde er Parlamentsabgeordneter und stellvertretender Senatspräsident. 2001 gründete er eine neue Partei namens „Bürgerplattform“ und wurde 2007 Ministerpräsident Polens. Dieses Amt übte er 7 Jahre aus, bevor er im Jahr 2014 zum EU-Ratspräsident gewählt wurde.
Charles Michel
Seit 1. Dezember 2019 heißt der EU-Ratspräsident Charles Michel. Michel ist belgischer Politiker der liberalen Partei „Movement Reformateur“. Auf europäischer Ebene gehört er der „ALDE – Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa“ an. Er legte eine beeindruckende, frühe Politik-Karriere in Belgien hin, die bereits während seines Studiums der Rechtswissenschaften begann: Bereits mit 23 Jahren war er Parlamentsabgeordneter, ein Jahr später sogar Innenminister von Wallonien. Mit 32 wurde er belgischer Entwicklungsminister, im Jahr 2014 belgischer Premierminister – bis er im Dezember 2018 seinen Rücktritt aufgrund eines drohenden Misstrauensvotums gegen seine Regierung ankündigte.
Fazit
Reizt dich das Amt des Ratschefs der Europäischen Union, solltest du dich im politischen Umfeld wohlfühlen. Es gibt keine zwingenden Zugangsvoraussetzungen, jedoch zeigen die Beispiele aus der Vergangenheit, dass die bisherigen Amtsinhaber allesamt ein Studium vorzuweisen haben. Welche Fachrichtung du studierst, dürfte zweitrangig sein: Jura, Geschichte, Politik, aber durchaus auch andere Fächer eignen sich als Grundlage. Wichtiger ist, dass du im Polit-Betrieb deines Landes Fuß fasst und du dir dort einen Namen machst. Du solltest unbedingt schon einige bedeutende Ämter in der Bundespolitik bekleidet haben. Dann heißt es, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und sicher auch etwas Glück zu haben: Vielleicht schaffst du es dann, zum nächsten EU-Rats-Chef ernannt zu werden. Das Gehalt kann sich auf jeden Fall sehen lassen: Es liegt im Monat bei ca. 23.000 Euro plus diverser Zuschläge, was zu einem Jahresgehalt von ca. 270.000 Euro führt (Quelle: Süddeutsche Zeitung).
Weitere Quellen:
europarl.europa.eu, consilium.europa.eu
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