Gender Pay Gap in Deutschland: Darum verdienen Frauen weniger im Job
Lange und hart haben Frauen für ihre Gleichberechtigung gekämpft. Obwohl sie bereits viel erreicht haben, ist dieser Kampf dennoch leider längst nicht vorbei. Auch heute noch verdienen Frauen im Schnitt deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen. Laut Statistischem Bundesamt bekamen Frauen im letzten Jahr durchschnittlich 18 Prozent weniger Bruttolohn pro Stunde als Männer. Diese geschlechterspezifische Lohnlücke wird auch als Gender Pay Gap bezeichnet. Zwar schrumpft der Verdienstunterschied zwischen Mann und Frau kontinuierlich, jedoch nur sehr langsam. So war der unbereinigte Gender Pay Gap im letzten Jahr nur ein Prozentpunkt geringer als im Jahr 2019. Was sind die Ursachen für den Pay Gap und was kann man tun, um die Lücke endlich zu schließen?
Inhaltsverzeichnis
Was ist der Gender Pay Gap?
Der Gender Pay Gap bezeichnet den Unterschied zwischen der Entlohnung der Männer und der Entlohnung der Frauen. Es wird zwischen einer bereinigten und einer unbereinigten Verdienstlücke unterschieden. Erstere umfasst die offensichtliche Differenz der Bruttolöhne beider Geschlechter und berücksichtigt dabei alle Arbeitnehmer, egal ob Vollzeit, Teilzeit oder Praktikant. Zusätzliche Einflüsse wie Qualifikation oder Branche werden nicht berücksichtigt.
Bei der bereinigten Lohnlücke dagegen erfolgt die Analyse unter Berücksichtigung bestimmter Parameter wie beispielsweise Ausbildung, Position oder Berufserfahrung. So werden Entgelte von Männern und Frauen verglichen, die dieselben Qualifikationen besitzen, in einem ähnlichen Betrieb oder in der gleichen Branche arbeiten. Beachtet man diese Faktoren in der Berechnung, schrumpft der Wert auf 6 Prozent, was jedoch immer noch genau 6 Prozent zu viel sind. Diese Zahl zeigt nämlich, dass die schlechtere Bezahlung tatsächlich auf die Zahlungsbereitschaft des Arbeitgebers zurückzuführen ist und nicht auf eine schlechtere Ausbildung.
Was sind die Gründe für den Gender Pay Gap?
Der geschlechterspezifische Verdienstunterschied hat viele Ursachen, die größtenteils auf gesellschaftliche Vorstellungen zurückzuführen sind. So arbeiten Frauen oft in Branchen, die deutlich schlechter bezahlt sind. Dazu zählen beispielsweise Friseurhandwerk, Krankenpflege oder Kindererziehung. Zudem sind Frauen weitaus öfter in Teilzeit beschäftigt als Männer, da sie sich um die Kinder kümmern, solange diese noch in die Kita oder zur Schule gehen, und zusätzlich den Haushalt schmeißen. Der Mann dagegen ist meist für das Haupteinkommen eines Haushalts zuständig. Durch das Ehegattensplitting entstehen steuerliche Vorteile, wenn die Frau in einem Mini-Job arbeitet und ihre Stundenanzahl nicht erhöht. All dies hat zusätzlich zur Folge, dass Frauen nur selten in Führungspositionen arbeiten.
Die Gründe für diese Ungerechtigkeit sind zudem tief in unseren Köpfen verankert. So fanden Wissenschaftler in einem umfragebasierten Experiment (Quelle) heraus, dass beide Geschlechter für Frauen ein im Schnitt um drei Prozent geringeres Gehalt als für männliche Kollegen angemessen finden, auch wenn Beruf und Arbeitsleistung übereinstimmen. Hier spiegeln sich die stereotypen Einstellungen deutlich wider.
Deutschland im Vergleich mit der EU
Laut Statistischem Bundesamt liegt Deutschland im EU-Ranking immer noch sehr weit hinten. Lediglich in Estland, Österreich und Tschechien war der Gender Pay Gap-Wert im Jahr 2019 sogar noch größer (Quelle). Das ist schade, denn immerhin hat Deutschland eines der höheren Pro-Kopf-Einkommen in der Europäischen Union. Grundsätzlich gilt, dass der Wohlstand eines Landes umso höher ist, je besser die Gleichstellung funktioniert. Und dennoch schneidet Deutschland in Sachen Lohngleichheit sehr schlecht ab. Vorbilder dagegen sind Italien, Luxemburg und Rumänien, bei denen der Gender Pay Gap bei unter 5 Prozent liegt.
Gender Pay Gap: Diskriminierung oder nicht?
Immer wieder sorgt dieses Thema für hitzige Diskussionen. So behauptet eine Seite, dass die Lohnlücke nicht auf Diskriminierung zurückzuführen ist, sondern lediglich daher rührt, dass viele Frauen sich freiwillig dafür entscheiden, die Familienarbeit zu übernehmen und dafür gern auf eine große Karriere verzichten. Auch die Berufswahl spiele eine große Rolle, da Frauen oft Jobs wählen, die mit einem geringeren Stundenlohn vergütet werden.
Kritiker dagegen sehen die geringere Bezahlung von Frauen als eine Abwertung ihrer Tätigkeiten, da „typische“ Frauenberufe, wie beispielsweise Pflegeberufe, oft schlechter vergütet werden, obwohl eine beachtliche körperliche und psychische Leistung erbracht werden muss. Männerdominierte Berufe wie etwa der Technikbereich sind dagegen prinzipiell gut bezahlt. Demnach werden weibliche Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt weniger wertgeschätzt. Zudem werden sie bei ihrer Berufswahl durch traditionelle Rollenbilder beeinflusst. Diese Fraktion sieht daher die Lohnlücke sehr wohl als ein Ergebnis von Diskriminierung.
Der bereinigte Gender Pay Gap wird oft als eine Kenngröße dieser Diskriminierung gesehen, allerdings gibt das Statistische Bundesamt an, dass nicht alle denkbaren strukturellen Faktoren bei der Berechnung berücksichtigt werden können. So haben beispielsweise zwischenzeitliche Erwerbungsunterbrechungen Einfluss auf den Verdienst, doch diese werden im bereinigten Gender Pay Gap nicht bedacht. Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass die Verdienstlücke sonst geringer ausfallen würde. Doch auch der unbereinigte Gender Pay Gap darf nicht außer Acht gelassen werden, wenn es um Diskriminierung geht. Immerhin zeigt dieser, dass Frauen weitaus seltener Führungspositionen innehaben. Auch das kann als Hinweis auf eine strukturelle Diskriminierung gewertet werden.
Corona und Gender Pay Gap
Im Jahr 2020 sind die Bruttoverdienste der Frauen im Vergleich zum Vorjahr um 3,5 Prozent gestiegen, während sich die der Männer lediglich um 2,3 Prozent erhöht haben. Dies führt zwar zu einem geringeren Gender Pay Gap, allerdings haben die Coronakrise und die damit verbundene Kurzarbeit hier vermutlich einen großen Einfluss gehabt.
Mehr zum Thema Corona und Gender Pay Gap kannst du hier lesen:
Frauen in der Arbeitswelt: Was Corona verändert hat
Was kann man tun, um die Lücke zu schließen?
Jedes Jahr findet der Equal Pay Day statt und markiert den Tag, bis zu welchem Frauen umsonst arbeiten, wenn man ihren Verdienst mit dem durchschnittlichen Jahreseinkommen der Männer vergleicht. Zum ersten Mal gab es den Equal Pay Day in Deutschland am 15. April 2008. Dieses Jahr fand er am 10. März 2021 statt, denn zu diesem Zeitpunkt waren 18 Prozent des Jahres vorbei. Es gab also eine kleine Verbesserung in den letzten Jahren.
Neben Aktionen wie diesen müssen Frauen selbst aktiv werden, um die Lücke zu schließen. Sie sollten selbstbewusster in Gehaltsverhandlungen gehen und eine gerechte Bezahlung einfordern. Zudem ist es wichtig, schon junge Frauen zu fördern und ihnen die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu zeigen, damit sie sich später nicht selbst Chancen verwehren. Dafür gibt es zum Beispiel den sogenannten Girls´ Day. Frauen, die eine Familie haben, aber ihre Arbeitszeit dennoch nicht reduzieren möchten, sollten sich trauen, mit ihrem Partner über geeignete Modelle zu sprechen und eine andere Aufteilung von Arbeit und Kindererziehung von diesem verlangen.
Fazit
Der Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen bleibt nicht folgenlos. So haben Frauen im Alter durchschnittlich eine weitaus geringere Rente. Zudem sind sie oft sehr von ihrem Partner abhängig und in ihrer Selbstständigkeit eingeschränkt. Die Lohnlücke nur auf freiwillige Entscheidungen mancher Frauen zu schieben ist falsch, denn Diskriminierung findet in unserem Arbeitsmarkt sehr wohl statt. Frauen haben es schwerer, Führungspositionen zu erlangen und müssen mit vielen Hindernissen rechnen. Auch das Ehegattensplitting führt dazu, dass verheiratete Frauen oft weniger arbeiten, da es sich steuertechnisch nicht lohnt. Um etwas zu verändern muss in erster Linie die Bundesregierung aktiv werden, jedoch kann jede einzelne Frau etwas dazu beitragen, indem sie sich nicht unter Wert verkauft und für mehr Gerechtigkeit einsteht.
Quellen: Statistisches Bundesamt, destatis.de
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Marina ist Redakteurin, Content-Managerin & Autorin. Sie hat Romanische Sprachen, Literatur & Linguistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München studiert. Schreiben ist für sie nicht nur ein Beruf, es ist auch ihre große Leidenschaft. Für careeasy – Dein Karrieremagazin von stellenanzeigen.de schreibt Marina freiberuflich über Themen rund um Bewerbung, Karriere und Persönlichkeitsentwicklung.