Jedes Jahr im März ist es wieder so weit: Der Internationale Frauentag steht an. Zeit, Bilanz zu ziehen: Wie sieht es im Jahr 2022 mit der Gleichberechtigung von Frau und Mann in Job und Arbeitswelt aus?

Topaktuelle Informationen zum Stand der Gleichberechtigung in Deutschland gibt eine im Februar 2022 veröffentlichte Studie des WSI (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut der Hans-Böckler-Stiftung). Eines sei schon einmal vorweggenommen: In punkto Gleichstellung der Geschlechter auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt gibt es noch jede Menge zu tun.

Studie zum Status Quo der Gleichstellung

Die Studie trifft Aussagen zu sechs verschiedenen Themenbereichen, anhand derer sich die Verwirklichungschancen eines Menschen ablesen lassen. Der Begriff „Verwirklichungschancen“ bezeichnet die umfassenden Fähigkeiten und Freiheiten, ein Leben nach den eigenen Lebensplänen führen zu können. Man hat also die Chancen und Möglichkeiten, sich für oder gegen etwas entscheiden und daran teilnehmen zu können. Die erforderlichen gesellschaftlichen Bereiche sind einem zudem zugänglich.

Diese sechs Handlungsfelder sind

  • Bildung
  • Erwerbsarbeit
  • Einkommen
  • Zeit
  • Sorgearbeit
  • Mitbestimmung
Gleichberechtigung Job
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In Mini-Schritten Richtung Gleichstellung

Die Ergebnisse der Studie lassen sich wohl als Trippelschritte in Richtung mehr Gleichstellung zwischen den Geschlechtern zusammenfassen. Zwar gibt es keine Trendumkehr, also in keinem Bereich nimmt die Ungleichheit zwischen Mann und Frau zu. Und es lassen sich vorsichtig positive Tendenzen hin zu mehr Gleichberechtigung feststellen. Das trifft zum Beispiel auf den Bereich der Erwerbsbeteiligung zu. Damit ist gemeint, wie viele Frauen einer bezahlten Beschäftigung nachgehen. Und auch beim Gehalt gibt es grundsätzlich Gutes zu vermelden: Der Gender Pay Gap schrumpft etwas. 

Im Großen und Ganzen bleibt aber leider immer noch jede Menge zu tun, bis Frauen und Männer wirklich über dieselben Verwirklichungschancen verfügen. Vor allem der Blick auf die geringe Anzahl von Frauen in Vorstandsposten ist ernüchternd.

Doch wie sieht es im Detail um die Chancengleichheit in den sechs Handlungsfeldern aus?

Bildung: Frauen vor Männern

In punkto Bildung haben mittlerweile in Deutschland Frauen die Nase vorn. Sowohl beim schulischen Bildungsniveau als auch beim beruflichen Qualifikationsniveau haben Frauen die Männer überholt, das heißt, sie können die höheren Abschlüsse bzw. Qualifikationen nachweisen.

Was jedoch weiterhin Bestand hat, ist die geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmarkts, vor allem im Bereich der dualen Ausbildungen. Hier greifen immer noch viele Klischees: Das heißt, dass vor allem Jungs zu Mechaniker- oder Handwerksberufen greifen, während Mädchen eher Arzthelferin oder Sekretärin werden.

Erwerbsarbeit: Frauen holen auf

Anteilsmäßig gesehen arbeiten immer mehr Frauen in Deutschland. Dass ihre Erwerbsbeteiligung gestiegen ist, liegt allerdings auch an dem etwas stärkeren Rückgang der Erwerbsbeteiligung von Männern im Jahr 2020. Der Abstand zwischen Frauen und Männern ist jedoch immer noch relativ groß: Er beträgt sieben Prozentpunkte.

Außerdem unterscheidet sich die Art der Anstellung zwischen Männern und Frauen stark. Frauen sind viel seltener in leitender Position tätig. Und von den ausschließlich geringfügig Beschäftigten sind 60 Prozent weiblich. Hingegen nur ein Drittel der Selbstständigen in Deutschland sind Frauen. Aber ein positiver Effekt lässt sich entdecken: In den letzten Jahren hat die Anzahl der Frauen in Selbstständigkeit stark zugenommen.

Einkommen: Männer verdienen mehr

Ein müßiges Thema ist der Gender Pay Gap. Er beschreibt die Lohnlücke bzw. den Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Bruttostundenlohn von Männern und Frauen. Fakt ist: Im Jahr 2020 lag diese Lücke bei 18 Prozent. Damit ist sie in den letzten Jahren weiterhin deutlich geschrumpft. Aber natürlich trotzdem noch erheblich.

Hier findest du unsere ausführliche Gehaltsstudie 2021.

Schockierend ist der Gender Pension Gap, der 2019 ganze 49 Prozent beträgt. Das macht deutlich, warum Altersarmut hierzulande ein in weiten Teilen weibliches Problem ist.

Zeit: Frauen oft in Teilzeit

Wer arbeitet wie viel? In fast allen Haushalten mit Familien sind die Männer in Vollzeit beschäftigt, und die Frauen arbeiten überwiegend in Teilzeit.

Generell arbeitet hierzulande fast jede zweite Frau, aber nur jeder neunte Mann wöchentlich weniger als 32 Stunden. Warum so viele Frauen Teilzeitbeschäftigungen nachgehen, wird im Folgenden klar.

Sorgearbeit = Frauenarbeit

Frauen übernehmen viel häufiger familiäre Sorge- und Pflegearbeit als Männer. Kinderbetreuung oder aber die Pflege von Angehörigen fällt in weiten Teilen den weiblichen Familienangehörigen zu. Während der Pandemie hat sich dieser Status fortgesetzt.

Ein positiver Trend ist bei der Ganztagsbetreuung von Kindern festzustellen. Deutschlandweit konnte das Angebot in den letzten Jahren erheblich verbessert werden, und auch die Ganztagsbetreuungsquote ist dementsprechend stark angestiegen. Immer mehr Väter beziehen zudem Elterngeld, was auch bedeutet, dass sie über einen bestimmten Zeitraum in Elternzeit gehen.

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Mitbestimmung: eher männlich

Der Anteil von Frauen in Aufsichtsratsmandaten stagniert: bei 32 Prozent. Das bedeutet, dass die vorgeschriebene Quote erfüllt wird. Zugleich beschreibt es aber auch den absoluten Mindeststandard, der gesetzlich zulässig ist.

In Unternehmen, für die bis 2020 keine Quote galt, liegt der Anteil weiblicher Vorstandsvorsitzender deutlich geringer. 2020 waren gerade einmal elf Prozent aller Vorstandsvorsitze in den 160 größten deutschen börsennotierten Unternehmen von Frauen belegt.

Fehlende Frauen sind vor allem ein Problem in der ersten Führungsriege. Auf der zweiten Führungsebene entspricht in den Betrieben mittlerweile der Frauenanteil recht gut dem weiblichen Anteil an der Belegschaft. Interessant: Frauen sind auch seltener gewerkschaftlich organisiert als Männer. Nur ein Drittel aller Gewerkschaftsmitglieder des DGB sind aktuell weiblich.

Fazit

Was bleibt? Noch viel zu tun. Die Quote wirkt, wenn auch langsam. Die Schritte zu mehr Chancengleichheit und Selbstverwirklichungsmöglichkeiten, die die Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt machen, sind eher klein. Aber sie zeigen zumindest in die richtige Richtung. Wie wichtig es für die Geschlechtergerechtigkeit ist, dass passende Rahmenbedingungen vorhanden sind, zeigen Beispiele wie der Ausbau der Ganztagsbetreuung oder auch die Pandemie. Fehlen adäquate Betreuungseinrichtungen, ist schnell ein Zurückfallen in alte Muster à la „Die Frau bleibt zuhause, der Mann geht arbeiten“ zu beobachten. 

Quellen:
wsi.de

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Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form (generisches Maskulinum), z. B. „der Mitarbeiter“. Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung. Die verkürzte Sprachform hat redaktionelle Gründe und ist wertfrei.