Jobs und Berufe für Hochsensible: Nutze dein Talent

Gehörst auch du zu den hochsensiblen Menschen und suchst einen Job, der dich anspricht und zu dir passt? Finde heraus, warum diese besondere Eigenschaft auf dem Arbeitsmarkt immer mehr akzeptiert und mittlerweile sogar gefragt ist und welche Berufe für Hochsensible besonders geeignet sind.

Was es bedeutet, hochsensibel zu sein

Lena hat Mittagspause und zieht sich wie so oft in eine ruhige Ecke des Parks in der Nähe ihrer Werbeagentur zurück, wo sie arbeitet. Auf der Parkbank kann sie sich entspannen, Kraft tanken und in Ruhe über ihre Aufgaben als Designerin nachdenken. Die Farben des Himmels, die Sonne auf der Haut, das Plätschern des nahen Baches, das satte Grün der Gräser: Alles spricht sie tief an und tut ihr gut. Mehr als das quirlig-fröhliche Durcheinander in der Teeküche der Agentur oder die anstrengenden Diskussionen um Budgets und Deadlines. Sie ist deshalb nicht mürrisch oder traurig. Es ist einfach so: Zu viel von allem auf einmal – das kann sie gerade nicht gebrauchen.

Lena gehört zu den Menschen, die ihre Umwelt empfindsamer wahrnehmen als andere. Ihr neuronales System nimmt einfach mehr auf und verarbeitet es intensiver. Auf Reize wie Licht, Wärme, Kälte, Geräusche oder Gerüche reagieren sie sensibler. Auch auf Erlebnisse, Eindrücke oder Menschen reagieren sie emotionaler, da ihre Fähigkeit, feine Veränderungen frühzeitig zu bemerken, zu einer tieferen und intensiveren Verarbeitung führt.

Arbeiten im Großraumbüro, pendeln in einer lärmerfüllten, hektischen Stadt, ständig veränderliche Arbeitsanforderungen und -bedingungen, Multitasking und Leistungsdruck können sensiblen Menschen zusetzen. Konflikte am Arbeitsplatz können sie ebenfalls belasten, auch wenn sie gar nicht darin involviert sind. Sie spüren, dass etwas nicht stimmt oder jemand nicht glücklich ist und sind dann von Gefühlen regelrecht überrollt.

HSP nennt die Wissenschaft sie: „highly sensitive persons“, also hochsensible bzw. hypersensible Menschen. Hochsensibilität ist keinesfalls eine Krankheit oder eine Störung. Eher ist sie eine neuronale Ausprägung – eine Variation davon, wie das Nervensystem Reize verarbeitet – und als solche für die Forschung in den Feldern Psychologie (speziell Arbeits- und Organisationspsychologie, Persönlichkeitsforschung), Neurowissenschaften, Psychiatrie und Sozialwissenschaften interessant.

Was zeichnet hochsensible Personen aus?

Hochsensible Menschen wie Lena haben eine feine Wahrnehmung. Sie sind besonders gefühlvoll, empathisch, reflektiert und genau. Wer derart empfindliche Sinneswahrnehmungen hat, verfügt meist auch über besondere Talente. Sehr oft sind HSP kreativ veranlagt. Sie haben ein Faible für Musik, Kunst und Kultur, für Farben, Muster und Stoffe, für Design und Architektur.

Mit ihrer empathischen Art merken sie, was andere brauchen und helfen so dem gesamten Team. Das macht es ihnen leichter, sich auf andere Menschen einzulassen. Als Kollegen tragen sie dazu bei, dass sich alle gut verstehen und besser zusammenarbeiten. Als Vorgesetzte können sie gut motivieren, weil sie verstehen, was ihre Mitarbeiter gerade bewegt.

Dennoch kann es herausfordernd für sie sein, wenn ihr Tagesablauf zu hektisch gerät oder wenn zu viel los ist auf der Konferenz oder in der Kantine. Sie können sich früher überfordert und müde fühlen, was den Anschein entstehen lässt, dass sie nicht belastbar sind. Wenn jedoch der Arbeitsplatz und die Gegebenheiten für sie passen, sind hochsensible Menschen ganz in ihrem Element, weil sie die Dinge in der Tiefe durchdenken, kreative Lösungen finden und sich gut in andere hineinversetzen können. Deshalb eignen sich bestimmte Berufe für Hochsensible auch ganz besonders gut.

Jeder Dritte könnte sensibler als der Durchschnitt sein

Manche Vorgesetzte sehen noch immer nicht, was hochsensible Mitarbeiter brauchen, um ihre Talente ideal einsetzen zu können: Freiraum, Fokus, Ruhe, Erholung. Ihr Maßstab ist die eigene, weniger ausgeprägte Sensibilität und sie übersehen dabei leicht, dass es auch andere, ebenso gültige Wahrnehmungsweisen und Wege zum Erfolg gibt. Selbst HSP wissen oft nicht, warum sie überhaupt so empfindlich auf Reize aller Art reagieren. Anlässlich einer Studie aus 2018 hat man hochgerechnet, dass über 30 Prozent der Menschen als hochsensibel betrachtet werden können. Ein nicht zu übersehender Anteil, der auch die Arbeitswelt herausfordert, besonders wenn es in Zeiten von Fachkräftemangel gilt, in allen Diversitäten Talente zu entdecken und zu fördern.

Mach den Test: Wie sensibel bist du?

Falls du dir über deine Hochsensibilität noch nicht sicher bist, gibt es von Forschern entwickelte Fragebogen als Sensibilitätstests. Darüber bekommst du zumindest Hinweise, wo auf der HSP-Skala du dich einordnen kannst und ob die Aussagen tatsächlich auf dich zutreffen.

Mehr berufliche Angebote für Hochsensible 

Doch es zeichnet sich ein Wandel ab, von dem auch du bei deiner Jobsuche profitieren kannst: Immer mehr Arbeitgeber erkennen die einzigartigen Stärken sensibler Menschen. Sie schaffen bewusst Arbeitsbedingungen, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind – von ruhigen Arbeitsbereichen (inklusive Noise-Cancelling-Kopfhörer) bis hin zu längeren Pausen und flexiblen Arbeitszeiten. Sie stellen Teams zusammen, in denen tiefes Nachdenken und Einfühlungsvermögen geschätzt und gezielt eingesetzt werden, um Innovation und Kreativität zu fördern. In diesem Umfeld sind diese Talente nicht nur willkommen, sondern werden als wertvolle Ressource gesehen, die den Unternehmen hilft, in dieser schnelllebigen und komplexen Welt erfolgreich zu sein.

Tätigkeiten und Berufe für Hochsensible

Hochsensible Menschen bringen einzigartige Fähigkeiten und Fertigkeiten ein, die in bestimmten Berufen besonders zur Geltung kommen können. Hier eine Auswahl von Jobs, welche die Stärken hochsensibler Menschen aufgreifen und ihnen ermöglichen, ihr Talent voll auszuschöpfen. Aber Achtung: Nur weil du hochsensibel bist, heißt das nicht, dass du nicht auch in jedem anderen Job glücklich werden kannst! Spezielle Berufe für Hochsensible sind eine Möglichkeit; es gibt aber auch immer den Weg, sich seinen Job passen zu gestalten, indem man die Rahmenbedingungen für sich optimiert – soweit das eben möglich ist.

Kreative Berufe

• Gestaltung und Design: Grafiker, Modedesigner, Architekt, Innenarchitekt, Gartenbauer, Goldschmied – diese Jobs erlauben dir als Hochsensiblem eigene Gestaltungsräume. Mit Kreativität, Talent zum Normbruch und Gespür für Harmonie setzt du neue Trends – ob als Angestellter oder Freiberufler.
• Schreiben: Als Autor, Texter oder Journalist kannst du deine Begabung für Recherche, Tiefgründigkeit und Ausdrucksstärke nutzen, um die Welt zu erklären, und dabei auch auf Genauigkeit und Einfühlungsvermögen setzen.
• Kunst: Finde deinen Ausdruck als Maler, Bildhauer oder Fotograf in der Ungewöhnlichkeit, Schönheit und Komplexität deiner eigenen kreativen Schöpfungen. Zeit spielt hier weniger eine Rolle, nur das beste Ergebnis.
• Musik: Ein feines Gehör, Gespür für Klang und Harmonie, Talent für ein Instrument, zum Gesang, zur Komposition und Orchestrierung – das sind die Stärken, die dich als musischen Menschen ausmachen. Als Musiktherapeut weißt du um die heilende Kraft von Musik und setzt sie ein, um anderen Menschen zu helfen.
• Schauspiel: Sich in anderer Leute Leben, Situationen und Empfindungen hineinversetzen – nirgendwo kannst du dies intensiver erkunden und ausleben als auf der Bühne oder der Leinwand.

Berufe mit sozialem Fokus

Arbeiten in Großraumbüros ist hier eher nicht angesagt, denn Berufe mit sozialem Fokus bieten oft die Möglichkeit, in kleineren Teams oder individuellen Settings zu arbeiten, was hochsensiblen Menschen entgegenkommt, die in ruhigeren und weniger reizintensiven Umgebungen arbeiten möchten. Möglich ist dies unter anderem in diesen Berufsfeldern:

• Psychologie: Nutze deine empathische Stärke in einem erfüllenden Beruf als Therapeut oder Berater, um tief in die Welt deiner Klienten einzutauchen und ihnen heilsame und entwicklungsfördernde Wege aufzuzeigen.
• Bildung und Erziehung: Als Lehrer oder Dozent hilfst du deinen Schülern und Studenten, ihr volles Potenzial zu entfalten und begleitest sie auf ihrem persönlichen Lernweg. In Kita und Kindergarten kümmerst du dich um die Kleinsten und begleitest sie auf ihren ersten Schritten ins Leben.
• Gesundheitswesen: Als Pflegekraft, Arzt oder Apotheker bringst du nicht nur dein medizinisches Wissen ein, sondern auch Einfühlungsvermögen, um Patienten bei ihrer Genesung zu unterstützen.
• Sozialarbeit: Als Sozialarbeiter oder Betreuer stehst du Menschen in schwierigen Lebensumständen bei und bietest ihnen Halt und Orientierung, wenn sie es am meisten benötigen. Du engagierst dich für ihre Belange und verstehst, was sie bewegt.

Berufe für ausgewiesene Spezialisten

• IT und Elektrotechnik: „Nerd“ – das war einmal. IT-ler, Informatiker und Techniker haben Konjunktur. Als Programmierer oder Systemanalytiker kannst du dich sehr gut auf die technischen Details von Systemen konzentrieren und Lösungen für komplexe Probleme in ruhiger Arbeitsumgebung entwickeln. Die Digitalisierung hat dafür gesorgt, dass Jobs in der IT bestens bezahlt werden und Arbeitgeber viel dafür tun, die gefragten IT-Fachleute ans Unternehmen zu binden.
• F&E: Als Forscher oder Laborant im Wissenschaftsbereich oder als Entwickler in der Industrie vertiefst du dich in dein Fachgebiet und bringst mit konzentrierter Arbeit Licht und Lösungen in unbekannte Felder.
• Finanzwesen: Hier zählen deine Liebe zur Genauigkeit und dein Hang zu Details, um finanzielle Ströme präzise zu lenken. Als Analyst, Steuerberater oder Buchhalter hast du heute ausgezeichnete Karrierechancen.
• Ingenieurwesen: Deine technischen Fähigkeiten und dein strukturierter Verstand sind hier gefragt, um innovative Lösungen als Ingenieur, Techniker oder Entwickler zu erschaffen.

Selbstständig arbeiten

Alternativ zur Festanstellung kann auch die (Solo-)Selbstständigkeit eine ideale Arbeitsumgebung für hochsensible Menschen bieten. Du bestimmst eigenständig, wie sich dein Tagesablauf gestaltet, mit wem du zusammenarbeiten möchtest, welches Arbeitsaufkommen du stemmen kannst und wann Pausen oder Auszeiten notwendig werden. Gleichzeitig kannst du dich ganz auf dein Unternehmen und dein Business fokussieren und dein Talent gezielt dafür einsetzen.

Beispielsweise mit einer Selbstständigkeit in diesen Tätigkeitsfeldern:

• Beratung und Coaching: Als selbstständiger Berater im Business- oder Life-Coaching setzt du dein Fachwissen und deine Fähigkeiten ein, um andere darin zu unterstützen, ihre persönlichen und professionellen Ziele zu erreichen.
• E-Commerce: Als Onlineshop-Besitzer gestaltest du dein Geschäftsmodell und deinen Arbeitsrhythmus selbst und lieferst Produkte oder digitale Lösungen und Services an deine Kunden.
• Freiberuflichkeit: Du brauchst mehr Freiraum, um Ideen, Konzepte und Kampagnen zu entwickeln? Bietest du Dienstleistungen in Fotografie, Grafikdesign oder Text freiberuflich an, hast du die Freiheit, kreative Projekte und Kunden ganz nach deinen Vorstellungen auszuwählen.
• Handwerk: Genauigkeit und Konzentration sind deine Superpower. Als Kunsthandwerker oder Restaurator kannst du in einer Umgebung arbeiten, die du dir selbst gestaltest, und nach eigenen Qualitätsstandards Außergewöhnliches schaffen.

Acht Impulse für die Jobsuche

Eins steht fest: Als hochsensibler Mensch im Berufsleben hast du besondere Talente, die du bei deiner Jobsuche gezielt hervorheben solltest.

Wichtig: Die Hochsensibilität ist ein Asset, keine Schwäche!

Bereite dich gut auf die nächste Bewerbung vor und spiele dieses Asset gezielt aus:

1. Mach dich zunächst einmal schlau über das Thema Hochsensibilität und lerne so, dich und deine Bedürfnisse grundsätzlich besser zu verstehen und entsprechend für dich zu sorgen. Im Buchhandel findest du dazu aktuelle deutschsprachige Ratgeber. Berufsberater und Coaches spezialisieren sich ebenfalls immer häufiger auf das Thema und können Unterstützung im Bewerbungsprozess anbieten.
2. Vernetze dich vielleicht mit anderen hochsensiblen Berufstätigen über Netzwerke, Plattformen und Gruppen, um Erfahrungen auszutauschen und passende Unterstützung zu finden. Gib beispielsweise bei LinkedIn das Suchwort „Hochsensibilität“ ein und setze dich mit den Gruppen und Angeboten dort auseinander.
3. Recherchiere, ob es Arbeitgeber in deiner Region oder in deinem Fachgebiet gibt, die bereits spezielle oder flexiblere Arbeitsangebote entwickelt haben. Das kann auch bedeuten, dass du Homeoffice oder einen Teilzeitjob machst, wenn du damit mehr persönlichen Freiraum gewinnen kannst.
4. Zeige in deinem Lebenslauf und später im Bewerbungsgespräch auf, wie tiefe Wahrnehmung, Empathie und sorgfältige Arbeitsweise zu kreativen Lösungen, einer harmonischen Teamdynamik oder zufriedeneren Kunden beitragen können.
5. Nutze in der Bewerbung konkrete Beispiele aus der Praxis, in denen du deine besondere Sensibilität bereits erfolgreich eingesetzt hast.
6. Bereite dich sorgfältig auf die Jobinterviews vor, indem du Strategien entwickelst, um ruhig und selbstbewusst zu wirken. Übe auch Antworten auf kritischere Fragen zu deiner Sensibilität.
7. Arbeite kontinuierlich daran, deine persönliche Entwicklung voranzutreiben – beispielsweise Konflikte zu meistern oder die Work-Life-Balance aufrechtzuerhalten. Das hilft dir, deine Resilienz zu stärken und berufliche Herausforderungen als hochsensibler Mensch besser zu meistern.
8. Sollte dein erster Job doch noch nicht ideal zu dir passen, verzage nicht. Manchmal ergibt sich das optimale Profil erst nach einigen Kurven im Karriereweg und mit mehr Lebenserfahrung.

Fazit: Berufe für Hochsensible

Mittlerweile trifft das Thema Hochsensibilität auf immer mehr verständnisvolle Arbeitgeber. Dennoch braucht es schon etwas Mut, die Karten diesbezüglich auf den Bewerbungstisch zu legen. Es eröffnet jedoch auch die Möglichkeit, einzigartige Fähigkeiten als Stärke einzusetzen und entsprechende Nischen zu besetzen, in denen HSP nicht nur erfolgreich, sondern auch langfristig glücklich und zufrieden arbeiten können. Der Schlüssel liegt darin, zunächst einmal sich selbst und seine Bedürfnisse besser zu verstehen, sich als besonders sensibel zu akzeptieren und ein geeignetes berufliches Umfeld zu finden, welches diese Ausprägung unterstützt und fördert. Passende Berufe für Hochsensible gibt es zuhauf. Mit den richtigen Ressourcen und einer hilfreichen Gemeinschaft können auch hochsensible Menschen so eine erfüllende Karriere aufbauen und ihr volles Potenzial ausschöpfen.

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Jutta Steinhart

Jutta ist freie Autorin für careeasy – Dein Karriere-Magazin. In Münster hat sie Kommunikations- und Politikwissenschaft sowie Anglistik studiert, ein Volontariat absolviert und später auf Verlags-, Unternehmens- und Agenturseite gearbeitet. Seit 2014 ist sie selbstständig und schreibt u. a. zu Themen wie New Work, Coaching, Mitarbeiterbindung, Employer Branding und Digitalisierung.