#Karrierefrauen: Interview mit Melanie Schütze
Melanie Schütze ist die Gründerin des Frauen-Netzwerks nushu und eine echte Macherin. Das Ziel ihres Start-ups ist es, mehr Weiblichkeit in die Wirtschaft zu bringen. Wir durften die sympathische und aufgeweckte Melanie, die sich lieber Melly nennen lässt, im wunderschönen Ruby Workspace in München besuchen und einige spannende Dinge erfahren.
Liebe Melly, vielen Dank, dass wir heute hier sein dürfen. Wir würden gerne etwas mehr über die Gründung deines Frauen-Netzwerks erfahren. Wie ist es dazu gekommen und was hast du vorher gemacht?
Gegründet habe ich nushu 2018, bin aber nicht ganz neu in diesem Thema. 2015 habe ich bereits die kleine Schwester oder Vorgängerin von nushu, die Alsterloge, ins Leben gerufen, weil ich damals einfach kein Netzwerk gefunden habe, mit dem ich mich mit Ende zwanzig vernetzen konnte. Damals habe ich mich gerade mit einer kleinen Agentur für Kommunikation und Event selbstständig gemacht und war in einer Phase, in der ich selbst sehr empfänglich für neue Impulse und Ideen war. Ich bin durch Hamburg geirrt und habe mich gefragt, wo sich wohl all die vielen Frauen in Businesskostümen vernetzen und austauschen.
Als Frauen haben wir ja doch „unique challenges“, denen wir begegnen und die einfach anders gelagert sind, als bei unseren männlichen Kollegen. Ich habe einen Ort gesucht, an dem ich mich dazu austauschen und daran wachsen konnte, an dem ich authentisch sein durfte, ohne mich verkleiden zu müssen. Damals habe ich mir viele Businessclubs angeschaut, aber immer das Gefühl gehabt, dass ich da aufgrund meines Alters nicht wirklich reinpasste.
Diese nicht befriedigende Suche nach einem geeigneten Netzwerk hat mich dann dazu gebracht, dass ich einfach irgendwann die Alsterloge ins Leben gerufen habe. Ich habe mich umgehört und nach jungen, coolen Frauen gesucht, habe diese dann einzeln angerufen und anschließend den Kick-Off geplant. Das war der Beginn einer sehr langen Reise. Die Alsterloge wuchs und wuchs und die Anfragen häuften sich. Irgendwann habe ich dann den großen Schritt gewagt und die nushu GmbH gegründet. Diesen Sommer feiern wir bereits unser zweijähriges und seitdem ist unglaublich viel passiert.
Spannend. Das zeigt wohl, dass wirklich ein hohes Bedürfnis in diesem Bereich besteht.
Der Bedarf ist massiv. Ohne, dass ich es damals ahnte, habe ich einen Nerv getroffen. Ganz viele Frauen hegen die selben Gefühle. Es gibt einfach nichts Vergleichbares auf dem Markt. Wir sind ein Businessclub, wir stehen für mehr Weiblichkeit in der Wirtschaft und sind der Gegenentwurf zum Old-Boys-Network. Die meisten Frauen, die zu uns kommen, kommen auf Empfehlung. Wir machen derzeit kein großes Marketing, sondern sind völlig organisch.
Hinter dem Namen „nushu“ steckt eine bewegende Geschichte. Möchtest du uns erzählen, wie du auf den Namen gekommen bist und was das Wort bedeutet?
Ich habe damals den Roman „Der Seidenfächer“ gelesen, der in China im 20. Jahrhundert spielt. Früher wurden dort den Töchtern im Alter zwischen fünf und sieben Jahren von den Müttern die Füße gebunden, mit dem Ziel, den Fuß klein zu halten. Durch diese Prozedur wurden die Mädchen gehbehindert. Das war der erste Einschnitt in ein frühes, weibliches Leben. Im Alter zwischen dreizehn und vierzehn wurden diese Mädchen dann verheiratet und sind in ganz unterschiedliche Dörfer gekommen. Wenn man sich dann vorstellt, dass diese Mädchen in so einem jungen Alter vollkommen alleine sind, völlig separiert von ihrer gewohnten, vertrauten Umgebung und das erste Mal mit Sexualität, Schwangerschaft oder vielleicht auch Gewalt in Kontakt kommen und keine Möglichkeit haben, sich darüber austauschen, dann ist das für mich unglaublich beklemmend.
Der schöne und empowernde Teil dieser eigentlich sehr furchtbaren Geschichte ist, dass die Mütter den Töchtern während der Phase des Füßebindens eine Geheimschrift mitgegeben haben. Diese nennt sich nǚshū, Frau und Schrift zusammengenommen, und ist die erste genderspezifische Sprache, die mir untergekommen ist. Durch diese von Generation zu Generation weitergegebene Schrift konnten die Frauen trotz Distanz in Kontakt miteinander bleiben und ihre Sorgen und Nöte miteinander teilen. Das finde ich unglaublich mutig und stark. Und um diesen mutigen Frauen, die das damals initiiert und ein Sprachrohr gefunden haben, Tribut zu zollen, habe ich mein Unternehmen nach dieser Sprache benannt.
Du sagst von dir selbst, dass du ein „großer Frauen-Fan“ bist. Warum arbeitest du so gerne mit Frauen zusammen?
Ich spüre, dass die Arbeit von meinem Team und mir Wirkung erzielt und dass viele Dinge natürlich ablaufen. Mein Team ist komplett weiblich, wir arbeiten sehr hart und fokussiert, aber gewisse Sachen muss man einfach nicht erklären. Es ist ein ganz natürlicher Flow. Natürlich freuen wir uns auch, wenn unser Team mal diverser wird, aber im Moment ist es ganz gut so, wie es ist. Ich bin einfach gerne mit Frauen zusammen. Wir haben aber auch ganz tolle Männer, die uns unterstützen.
Welche Themen interessieren euch bei nushu gerade besonders? Gibt es aktuelle Trend-Topics?
Trend Topics gibt es verschiedene. Auf der einen Seite natürlich das ganz große Thema „New Work“, mit all den Facetten, die dazugehören. Das ist ein Riesenthema, das ganz viele unserer nushus interessiert. Deshalb haben wir da ja auch die Studie „Your Job – Your Rules“ mit stellenanzeigen.de gemacht. Dazu gehört natürlich auch das Topic „Purpose“, also Fragen wie: Wie finde ich meinen Purpose? Muss ich meinen Purpose überhaupt im Job finden, oder kann der auch meinem reinen Broterwerb dienen? Das sind extrem menschliche Fragen, die bei unserer Generation mehr und mehr in den Vordergrund rücken.
Wir bekommen jede Woche viele Bewerbungen von Leuten, die einfach nur unsere Mission super finden und sich nur aufgrund unserer Werte, unserer Arbeitsweise und unserem Purpose für nushu interessieren. Und das rückt meiner Meinung nach immer mehr in den Mittelpunkt und ist deshalb auch für uns ein ganz großes Thema. Weitere beliebte Topics sind: Frauen in der Politik, Sales und Gründung.
Was muss sich deiner Meinung nach politisch ändern, um den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen?
Ich bin da schon stark bei der Quotenregelung. Ich kenne die endlose Diskussion um die Quote und bin absolute Befürworterin. Ich wüsste nicht, wie wir es sonst erreichen sollten. Auf der freiwilligen Selbstverpflichtungsbasis passiert einfach zu wenig oder gar nichts. Die Politik muss sich einschalten und ein starkes Statement setzen.
Der Wachstum von Unternehmen wie meinem zeigt, was da für ein Bedarf ist und dass Frauen keine Lust mehr darauf haben, sich weiter in dieser Situation halten zu lassen. Mehr als 50 % der Abiturienten in Deutschland sind weiblich, da ist ein unendlicher Talentpool vorhanden. Man sollte sich einfach überlegen, ob das System, das seit vielen, vielen Jahren nicht mehr angefasst wurde, noch das ist, in dem wir heute arbeiten und leben wollen. Meiner Meinung nach ist das nämlich kein Wirtschaftssystem, das den Menschen dient, sondern wir dienen der Wirtschaft und da ist irgendetwas ins Ungleichgewicht geraten.
Warum brauchen wir deiner Meinung mehr Weiblichkeit in der Wirtschaft?
Was wir mit „wir wollen mehr Weiblichkeit in der Wirtschaft“ meinen, ist, dass sich das Wertesystem so verändern soll, dass in Zukunft den typisch männlichen Eigenschaften nicht mehr ein höherer Wert zugesprochen wird, als den typisch weiblichen Eigenschaften. Wertschätzung ist Wertschöpfung und beides lässt sich nicht voneinander trennen. Und ich glaube, wenn die Wirtschaft einfach mehr nicht klassisch männliche Attribute zulassen würde, dann hätten wir ein viel schöneres Miteinander. Ich denke, wir hätten ein ausgeglicheneres und ausbalancierteres Verhältnis.
Was würdest du jungen Frauen empfehlen, die noch ganz am Anfang ihrer Karriere stehen?
Sie sollten frühestmöglich anfangen, sich zu vernetzen. Wenn mir eine junge Frau begegnet, die direkt zu Anfang ihres Berufslebens mit einer Vernetzung startet und aktiv in den Austausch geht, intern als auch extern, dann weiß ich eh, die wird fliegen. Da mach ich mir überhaupt gar keine Gedanken, denn sie wird immer eine Option B oder C haben. Ich würde einen massiven Wert darauf legen, auch um sicherzustellen, dass ich maximale Informationsflut bekomme. Weil gerade wenn ich den ersten Job antrete weiß ich am Anfang noch gar nicht so genau, was normal ist und was nicht, was ist gut, was mir an dem Job gefällt – man hat halt keinerlei Vergleichswerte. Wenn du dich aber mit anderen Menschen austauschst, hast du ganz andere Einblicke.
Empowerment fängt im Kopf an, das ist sozusagen die Mikroebene und das haben wir alle in der Hand. Wenn eine Frau Karriere machen möchte, dann soll sie auch wirklich daran festhalten und auch mit ihrem Partner von Anfang an für später ins Gespräch gehen. Wenn du dir das vornimmst, dann bleib dabei und tu es für dich. Das wird dir eine ganz andere Unabhängigkeit geben. Bleib dir da treu.
Was motiviert dich in schwierigen Zeiten?
Ich habe keinen Mangel an Motivation. Ich stehe in der Früh auf und mache einfach. Das liegt aber tatsächlich am Job und an der Aufgabe und daran, dass ich weiß, dass ich das Leben von Menschen positiv beeinflussen kann. Als Unternehmerin und Gründerin stehe ich für alles selbst ein und es ist Motivation genug zu wissen, dass ich so vielen Frauen da draußen verpflichtet bin und ich will, dass es für die richtig gut wird. Also muss ich auch Vollgas geben.
Was sind denn deiner Meinung nach die wichtigsten Eigenschaften einer erfolgreichen Frau?
Grundsätzlich ist es glaube ich sehr wichtig, mutig zu sein, im Sinne von eigene Erfolge zu teilen. Auch wenn es einem noch so schwer fällt: Raus damit, kommunizieren und mit dem kompletten Netzwerk teilen. Sowohl analog, als auch auf Social Media.
Eine weitere wichtige Eigenschaft ist Beharrlichkeit. Du musst widerstandsfähig sein. Was man ja bei vielen Unternehmern nicht weiß und worüber nie gesprochen wird, ist, dass es meistens einen Haufen weniger erfolgreiche Anläufe gab, bevor mal ein Treffer sitzt. Keiner wacht in der Früh auf und ist erfolgreich, da liegt immer ein langer Weg dahinter. Also einfach dranbleiben, sich nicht verunsichern lassen, im Flow seinem Bauchgefühl vertrauen und sich vor allem erlauben, groß zu denken.
Vielen Dank für das spannende Interview, liebe Melly! 🙂
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Marina ist Redakteurin, Content-Managerin & Autorin. Sie hat Romanische Sprachen, Literatur & Linguistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München studiert. Schreiben ist für sie nicht nur ein Beruf, es ist auch ihre große Leidenschaft. Für careeasy – Dein Karrieremagazin von stellenanzeigen.de schreibt Marina freiberuflich über Themen rund um Bewerbung, Karriere und Persönlichkeitsentwicklung.