Mehr Lohngerechtigkeit für Frauen: der 18-Prozent-Unterschied
Du arbeitest zuverlässig für ein Unternehmen und wirst für deine Leistung, dein Können und deine Erfahrung angemessen bezahlt. Das ist der Deal. Dann stellst du fest, dass ein Kollege oder eine Kollegin für die gleiche Arbeit deutlich mehr Lohn bzw. Gehalt erhält. Ist das gerechtfertigt? Kommt darauf an. Alles was du zum Thema Lohngerechtigkeit wissen solltest – und wo Deutschland hier aktuell steht.
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Lohnlücke bei den Gehältern: 18 Prozent, die wehtun
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, so heißt es, unabhängig von persönlichen Merkmalen wie Geschlecht, Herkunft oder Alter. Aber die Wirklichkeit in Deutschland sieht oft anders aus. Denn überwiegend Frauen erleben noch immer, dass sie weniger verdienen als Männer in gleicher Funktion, mit gleicher Qualifikation und bei gleichen Aufgaben. „Gender Pay Gap“, so lautet der aus dem Englischen entlehnte Fachbegriff für die große Lohnlücke, die zwischen den Gehältern von Männern und Frauen klafft.
Das Statistische Bundesamt hat Zahlen dazu: Demnach verdienten Frauen 2023 je Stunde durchschnittlich 18 Prozent weniger als Männer – das ist so unverändert seit 2020. Vor 2020 war dieser Spagat sogar noch größer. Mit durchschnittlich 20,84 Euro erhielten sie einen um 4,46 Euro geringeren Bruttostundenverdienst als Männer, die im Vergleich dazu 25,30 Euro verdienten. Betrachtet man ein ganzes Arbeitsjahr, summiert sich dies zu einer beachtlichen Summe, die dann im Portemonnaie fehlt und nicht für die persönliche und berufliche Entwicklung eingesetzt werden kann.
Lohnungleichheit bremst den beruflichen Aufstieg
Die bestehende Lohnlücke hat vielschichtige strukturelle Ursachen, die meist ebenfalls im Zusammenhang mit Gleichheitsfragen stehen. So werden traditionell von Frauen ausgeübte Berufe oft auch schlechter bezahlt. Vorhandene geschlechtsspezifische Rollenbilder beeinflussen die Berufswahl und die entsprechende Entlohnung. Diese historisch und gesellschaftlich bedingte Bewertung von Arbeit, die tatsächlich eine Abwertung ist, hat sich leider bis heute erhalten.
Während entscheidender Berufsjahre unterbrechen Frauen ihre Karriere oft für die Babypause und die Elternzeit. Meist stagniert ihr Stundenverdienst dann mit der Geburt des ersten Kindes, während Männer mit zunehmendem Alter immer weitere Gehaltssprünge machen. Viele frauendominierte Berufe sind in Branchen und Sektoren angesiedelt, die weniger stark tarifgebunden sind, was mit niedrigeren Löhnen einhergeht. Eher und länger als ihre männlichen Kollegen arbeiten Frauen in Teilzeit, um die Kindererziehung oder die Pflege von Angehörigen zu übernehmen.
In der Folge sind auch Karrieresprünge und der Aufstieg in Führungspositionen seltener. Argumentiert wird dann oft, dass es den Frauen an beruflicher Praxis fehlt. Fair ist das nicht. Es kann dazu führen, dass sie auf ihrem Karriereweg bei der Entlohnung und bei Beförderungen regelmäßig weiter benachteiligt werden – bis hinein ins Rentenalter, wo dann ein „Gender Pension Gap“ entstehen kann.
Über Geld spricht man doch
Eigentlich sollte es derartige Ungleichbehandlungen gar nicht geben. Denn schon Artikel 3 des Grundgesetzes sagt klar: Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Daraus lässt sich auch das Recht auf gleichen Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit ableiten. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, auch Antidiskriminierungsgesetz genannt, schützt zudem Arbeitnehmer vor Benachteiligung aufgrund persönlicher Merkmale wie Alter, Herkunft oder Geschlecht.
2017 trat das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) in Kraft und wurde 2023 erneut evaluiert. Es soll dazu beitragen, die Lohnlücke weiter zu schließen und Lohngerechtigkeit über mehr Transparenz bei Entgeltstrukturen und Entgeltregelungen zu fördern. Allerdings haben danach gegenwärtig nur Mitarbeiter in Betrieben und Dienststellen mit mehr als 200 Beschäftigten einen Auskunftsanspruch, nach welchen Kriterien und Verfahren sie entlohnt werden.
Die Zusammensetzung des Entgelts können sie auch für eine als gleich oder gleichwertig benannte Tätigkeit – eine Vergleichstätigkeit – erfragen. Zudem können sie die Höhe des für die Vergleichstätigkeit gezahlten Entgelts erfragen, wenn die Tätigkeit von mindestens sechs Personen des jeweils anderen Geschlechts ausgeübt wird. Das macht es ungemein komplex.
Lohngerechtigkeit am Standort Deutschland
Das Entgelttransparenzgesetz kann zumindest als ein Baustein von vielen auf dem Weg zu mehr Lohngerechtigkeit gewertet werden, da es noch nicht auf alle Unternehmen anwendbar ist. Viele kleinere Unternehmen sind von vornherein vom Transparenzanspruch ausgeschlossen. Und bis Mitarbeiter per Antrag Einblick gewonnen haben, vergeht oft viel Zeit und sind betriebsintern sehr viele Hürden zu nehmen. Basis zur Bewertung der Lohngerechtigkeit sind meist statistische Mittelwerte, die keinesfalls alle Aspekte von Lohnungleichheit erfassen können. Verstöße werden außerdem nicht sanktioniert, sodass die Betroffenen letztendlich den Rechtsweg zur Durchsetzung beschreiten müssten. Gut gemeint ist noch nicht gut gemacht, daher wird die Entwicklung hier nicht stehenbleiben.
Neue EU-Richtlinie zur europäischen Entgelttransparenz
Mit der europäischen Entgelttransparenz-Richtlinie, die im Juni 2023 in Kraft trat, wird jedoch auch das deutsche Entgelttransparenzgesetz erneut überarbeitet und an die europäischen Vorgaben angepasst. Bis 2026 müssen dann alle EU-Staaten wirksame Transparenzinstrumente eingeführt haben, damit alle Beschäftigten künftig einen Auskunftsanspruch haben, unabhängig von der Unternehmensgröße.
„Die Entgelttransparenz-Richtlinie ist für alle Frauen in Europa ein starkes Signal. Ich werde mich dafür einsetzen, dass Deutschland die Richtlinie in einem ambitionierten Entgelttransparenzgesetz umsetzt: Frauen sollen es künftig leichter haben, eine ungleiche und nicht an der Leistung ausgerichtete Entlohnung zu erkennen und ihr Recht auf gleiches Entgelt auch durchzusetzen.“
– Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Quelle: BMFSFJ)
Wo steht Deutschland?
Im EU-Vergleich rangierte Deutschland schon 2021 auf drittletzter Position, wenn es um die Lohngerechtigkeit geht. Mithilfe gesetzlicher Maßnahmen wie dem Entgelttransparenzgesetz und der EU-Richtlinie, mit der Einführung und schrittweisen Erhöhung des Mindestlohns, mit Initiativen wie dem Equal Pay Day, der regelmäßig auf den Gender Pay Gap aufmerksam macht, und mit Arbeitgebern, die sich für gerechtere Entlohnung einsetzen, wendet sich das Blatt jedoch allmählich.
Faktoren wie der demografische Wandel, der Arbeits- und Fachkräftemangel und ein harter internationaler Wettbewerb sowie die neuen Richtlinien veranlassen auch die Unternehmen, dem Thema Gleichstellung und Chancengleichheit mehr Stellenwert einzuräumen. Denn Mitarbeiter, die fair entlohnt, ja darüber hinaus sogar für ihr Engagement belohnt werden, sind in der Regel auch motivierter bei der Arbeit und bleiben gern im Unternehmen. Ein wesentlicher Faktor für den unternehmerischen Erfolg. Heute kann es auch einen schweren Imageverlust für die Arbeitgebermarke bedeuten, sollten Lohnungerechtigkeiten öffentlich bekannt werden.
Tipps zur Lohngerechtigkeit: Worauf du selbst achten kannst
Damit du beim Einstieg ins Berufsleben, bei einem Wechsel des Arbeitsplatzes oder bei der nächsten Lohn- oder Gehaltsrunde nicht Gefahr läufst, unterbezahlt zu werden, hier Tipps und Hinweise, die du vorab einbeziehen kannst:
- Achte schon bei deiner Bewerbung darauf, ob dein künftiger Arbeitgeber regelmäßig Gehaltsaudits durchführen lässt. Dann lässt er unabhängig prüfen, ob gerechte Vergütungssysteme etabliert sind und wie er Lohnungerechtigkeit erfolgreich adressieren kann. So hat sich beispielsweise der große Autohersteller BMW vom Fair Pay Innovation Lab (FPI) 2023 als erstes Unternehmen in Deutschland als „Fair Pay Leader“ zertifizieren lassen. Auch Labels und Auszeichnungen wie „Great Place to Work“ können Hinweise geben.
- Vielleicht kannst du auf der Webseite von interessanten Unternehmen sogar offiziell etwas über deren Gehaltspolitik erfahren. Was in anderen Ländern längst selbstverständlich ist, trifft in Deutschland zwar nach wie vor auf vielerlei Bedenken. Dennoch haben manche Unternehmen mit New-Work-Kultur damit begonnen, Gehaltsstrukturen offenzulegen oder Stundenpreise zu standardisieren.
- Einige Unternehmen setzen gleich auf standardisierte Einstiegsgehälter für Beschäftigte in gleichen Positionen, um Lohndiskriminierung zu verhindern.
- Auch anonymisierte Bewerbungsverfahren können ein Hinweis darauf sein, dass bei der Auswahl von Bewerbern und darüber hinaus möglichst neutral gewertet werden soll.
- Besonders große Konzerne, die den Anteil von Frauen in Führungspositionen erhöhen wollen, setzen gezielt interne Entwicklungsprogramme dazu auf. Erkundige dich auf deren Homepage oder bei den Personalverantwortlichen, ob es solche Programme gibt.
- Aber auch im Handwerk denken mehr und mehr Firmenlenker um, getrieben vom Fach- und Arbeitskräftemangel. Die Unternehmen fördern flexiblere Arbeitsmodelle, unterstützen die Work-Life-Balance ihrer Mitarbeiter und machen vor allem auch den Einstieg von Frauen in die „Männerberufe“ leichter.
- Mehr Transparenz in Sachen Lohn erlebst du auch bei Jobs in Branchen, in denen Tariflöhne gezahlt werden. Tarifverträge werden zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden oder einzelnen Arbeitgebern ausgehandelt und regeln einheitliche Mindeststandards für Löhne, Arbeitszeiten und andere Arbeitsbedingungen. Sie sorgen für eine transparente und geregelte Lohnfindung, die auf kollektiven Vereinbarungen und nicht auf individuellen Verhandlungen beruht. Unterliegt ein Unternehmen der Tarifbindung, muss es die ausgehandelten Löhne und Regelungen an seine Beschäftigten weitergeben. Ein Beispiel dafür ist das Unternehmen Heidelberger Druckmaschinen. Es wendet das Tarifsystem der Metallindustrie mit Bewertung von Arbeitsplätzen personenunabhängig an. Die Bezahlung erfolgt geschlechtsunabhängig nach wertigkeitsprägenden Tätigkeitsmerkmalen. Mitarbeiterinnen werden mittels Mentoring und über ein internes Netzwerk gezielt gefördert.
Solltest du dich tatsächlich in der Lage befinden, im Vergleich weniger zu verdienen, ist das keine einfache Situation. Es sollte ausgeschlossen werden können, dass die Kollegen über bessere Qualifikationen, Spezialkenntnisse oder mehr Berufserfahrung verfügen. Andersherum: Der Arbeitgeber sollte diskriminierungsfreie Gründe anführen, die den Unterschied machen.
Der Kampf um mehr Lohngerechtigkeit
Für einen gerechten Lohn einzustehen ist wichtig, doch bedenke dabei stets die möglichen Folgen für deine Tätigkeit. Wenn du auf deinen Job angewiesen bist, überlege genau, wie du vorgehen möchtest. Es gilt, das Für und Wider abzuwägen, um sowohl für deine Rechte als auch für eine gute Weiterarbeit im Unternehmen zu sorgen. Eine Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber über den Lohn kann das Arbeitsverhältnis in jedem Fall belasten. Angesichts möglicher Risiken und Konflikte solltest du einen kühlen Kopf bewahren und gut abwägen, ob und wie du hier aktiv werden möchtest.
- Das bedeutet vielleicht auch, sich schon lange vor potenziellen Konflikten am Arbeitsplatz abzusichern. Ein Berufsrechtsschutz ist grundsätzlich Gold wert, nicht nur, wenn es um das Thema Entgeltgleichheit geht und dein Fall vor dem Arbeitsgericht landen könnte.
- Wirst du nicht gerecht bezahlt? Rede zuerst mit Arbeitnehmervertretungen wie Betriebsrat und Gewerkschaft oder mit der Personalabteilung. Informiere dich vorab über deinen Auskunftsanspruch und mögliche – sachliche – Gründe für eine ungleiche Behandlung.
- Rechne damit, dass Vorgesetzte empfindlich reagieren könnten, wenn du in einer Gehaltsrunde mögliche Lohnunterschiede direkt ansprichst. Du könntest als konfrontativ wahrgenommen werden, anstatt wie erwartet deine individuellen Stärken anzuführen. Das könnte deiner weiteren Karriere im Unternehmen schaden. Wäge daher auch ab, ob alternativ ein Jobwechsel in Betracht kommt, um dein Einkommen zu verbessern.
- Gutes Verhandlungsgeschick entscheidet mit über das Gehalt, auch wenn dies nach Vorstellungen der Gesetzgeber nicht allein der Fall sein sollte. Setze dich intensiv mit Argumenten für eine bessere Bezahlung und Fakten zu deinen Leistungen auseinander, um bei der nächsten Gehaltsverhandlung überzeugend aufzutreten. Bei Bedarf kannst du solche Gespräche auch mit einem Coach trainieren. Vor allem, wenn du dazu neigst, dich immer wieder „unter Wert“ zu verkaufen oder dich hinhalten zu lassen.
- Informiere dich bei Berufsverbänden und Gewerkschaften über branchenübliche Gehälter. Mit belastbaren Daten aus Gehaltsspiegeln bist du für ein Gespräch mit deinen Vorgesetzten gut gerüstet.
Fazit
Lohngerechtigkeit ist ein grundsätzliches Anliegen, bei dem es oft um mehr geht als um Zahlen auf dem Lohnzettel. Es geht um Werte, um Gerechtigkeit und um Anerkennung. Doch die Realität zeigt: Die Lohnlücke von 18 Prozent schließt sich trotz gesetzlicher Regelungen wie dem Entgelttransparenzgesetz und der europäischen Richtlinie zur Entgelttransparenz nur langsam. Die Folgen, insbesondere für die weiblichen Beschäftigten, sind nicht nur direkt finanziell spürbar, sondern oft auch in der weiteren beruflichen Entwicklung und bis hinein ins Rentenalter.
Wer mit Entgeltungleichheit konfrontiert ist, steht vor einer Herausforderung, die noch immer nicht so einfach zu bewältigen ist. Es braucht Mut und eine durchdachte Strategie, um die eigenen Rechte zu wahren, ohne das berufliche Netzwerk und den Arbeitsfrieden zu gefährden. Es ist ein Balanceakt zwischen dem Einsatz für mehr Gleichheit und Gerechtigkeit und der Sicherung deiner Position im Unternehmen.
Wenn du dich entscheidest, aktiv zu werden, tue dies mit Bedacht und suche dir Unterstützung dafür – sei es durch eine Beratung mit Interessenvertretungen wie Betriebsrat und Gewerkschaft oder mit einem Rechtsschutz als frühzeitige Absicherung für eine mögliche Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht. Informiere dich gründlich, um deine Argumente für mehr Lohngerechtigkeit zu stärken und das bestmögliche Ergebnis für deine berufliche Zukunft zu erzielen.
Aktuelle Jobangebote
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form (generisches Maskulinum), z. B. „der Mitarbeiter“. Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung. Die verkürzte Sprachform hat redaktionelle Gründe und ist wertfrei.
Jutta ist freie Autorin für careeasy – Dein Karriere-Magazin. In Münster hat sie Kommunikations- und Politikwissenschaft sowie Anglistik studiert, ein Volontariat absolviert und später auf Verlags-, Unternehmens- und Agenturseite gearbeitet. Seit 2014 ist sie selbstständig und schreibt u. a. zu Themen wie New Work, Coaching, Mitarbeiterbindung, Employer Branding und Digitalisierung.