Pilotprojekt Grundeinkommen: Wie verändert ein Grundeinkommen unsere Gesellschaft?
122 Menschen. 3 Jahre. 1.200 € im Monat. Das sind die Eckdaten eines wissenschaftlichen Experiments zum Grundeinkommen, welches in Deutschland im Jahr 2021 gestartet wurde. Die Teilnehmer müssen für den Erhalt des Geldes nichts weiter tun, als innerhalb der Studienzeit insgesamt sieben Fragebögen auszufüllen.
Inhaltsverzeichnis
Hinter dem Projekt steckt der gemeinnützige Verein „Mein Grundeinkommen e.V.“, welcher in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts und der Uni Köln das Grundeinkommen mit seinem Pilotprojekt empirisch prüfen möchte. In der Vergangenheit gab es auch in Deutschland bereits ähnliche Experimente, jedoch ist dies die erste wissenschaftliche Langzeituntersuchung dieser Art. Finanziert wird das Ganze aus Spenden von Privatpersonen.
Das Projekt stieß bereits in der Bewerbungsphase in kürzester Zeit auf sehr große Resonanz. So gingen damals innerhalb von 70 Stunden bereits mehr als eine Million Bewerbungen ein und die erste Studie wurde mit insgesamt 2,1 Millionen Bewerbungen abgeschlossen. Der Auswahlprozess endete am 12. Januar 2021.
Die Gewinner wurden mithilfe von Daten des Statistischen Bundesamts ausgewählt. Es wurde verglichen, welche Kandidaten sich am besten eigneten. Ausgewählt wurden dabei lediglich alleinstehende Personen im Alter von 21 – 40 Jahren mit einem monatlichen Einkommen von 1.200 – 2.600 Euro. Der Grund dafür ist, dass diese Gruppe bundesweit so verteilt ist, dass repräsentative Schlüsse abgeleitet werden können. Zudem treffen Menschen diesen Alters wichtige Entscheidungen hinsichtlich Karriere und Familienplanung. Gerade bei diesen Entscheidungen ist es interessant zu sehen, ob ein Grundeinkommen Einfluss darauf hat.
Was ist das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens?
Idee des bedingungslosen Grundeinkommens ist es, dass alle Menschen in Deutschland ihr Leben lang vom Staat so viel Geld bekommen, wie sie zum Leben brauchen, und zwar ohne, dass sie dafür etwas tun müssen. Dies soll dazu beitragen, die soziale Situation zu verbessern und die Wirtschaft anzukurbeln. Dazu gibt es mehrere mögliche Konzepte und Finanzierungsmodelle. Das Grundeinkommen ist nicht einkommenssteuerpflichtig, allerdings könnten durch die Auszahlung andere soziale Leistungen, wie beispielsweise Hartz IV oder das Elterngeld, gemindert oder ganz gestrichen werden.
Das bedingungslose Grundeinkommen ist immer wieder Mittelpunkt hitziger Diskussionen, wobei diese meist auf ideologischen Glaubenssätzen beruhen. Befürworter sind der Meinung, ein Grundeinkommen würde die Gesellschaft positiv verändern und die Menschen freier und zufriedener machen. Ohne den ständigen Druck durch unsere Arbeit und die Sorge um ein nicht ausreichendes Einkommen hätten wir mehr Selbstvertrauen und wären gesünder. Jeder zweite Mensch in Deutschland ist burnoutgefährdet – das soll sich ändern.
Die Kritiker hingegen sehen das Konzept als nicht finanzierbar und fürchten, dass sich die Menschen durch die Einführung eines Grundeinkommens ungebraucht fühlen werden, wenn sie nicht mehr zur Arbeit verpflichtet sind. Zudem möchten sie eine zunehmende Trägheit der Gesellschaft keinesfalls unterstützen. Nun soll das Thema mithilfe wissenschaftlicher Daten endlich realistisch debattiert werden können.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist für alle nur machbar, wenn folgende Punkte gegeben sind:
- Es muss individuell und kollektiv positive Wirkungen entfalten.
- Es muss vom Staat finanzierbar sein.
- Es darf den Anreiz zu bezahlter Arbeit nicht zu stark mindern.
Das Pilotprojekt möchte alle drei Voraussetzungen überprüfen und besteht deshalb aus drei verschiedenen Studien, die alle unterschiedlich aufgebaut sind.
Auch in anderen Ländern wurde die Idee des Grundeinkommens bereits ausprobiert und getestet. Allerdings sind die Ergebnisse für die Debatte in Deutschland nicht wirklich relevant.
Ablauf des Experiments
Seit 1. Juni 2021 wird 122 Teilnehmern, unabhängig von ihren sonstigen Verdiensten, für drei Jahre ein zusätzliches monatliches, bedingungsloses Grundeinkommen von 1.200 € gezahlt. Im Gegensatz dazu steht eine Kontrollgruppe aus 1.380 Menschen, die kein Grundeinkommen erhalten. Diese dient zur Überprüfung der tatsächlichen Veränderungen durch das Geld.
Beide Gruppen erhalten während der Studienzeit alle sechs Monate einen Fragebogen, welcher etwa 25 Minuten Zeit in Anspruch nimmt. Optional werden mit einigen Teilnehmern auch tiefgreifendere Interviews geführt und Haarproben ausgewertet, um den Stresslevel zu testen. Ziel ist, herauszufinden, wie ein bedingungsloses Grundeinkommen das Leben des Einzelnen und der Gesellschaft verändert. Erste Zwischenergebnisse sollen im ersten Halbjahr 2023 ausgewertet werden, damit die Studie am 01. Mai 2024 abgeschlossen werden kann.
Dazu sind vor allem folgende Fragen interessant:
- Was machen die Menschen mit dem zusätzlichen Geld?
- Wie wirkt sich das auf die allgemeine Zufriedenheit aus?
- Arbeiten die Menschen weniger?
- Arbeiten die Menschen mehr?
- Wie wirkt sich die neue Situation auf die Gesundheit aus?
- Sinken Existenzängste und Stress?
- Sinkt die Burnout-Rate?
Einschränkungen der Studie
Um heraufzufinden, was sich für den Einzelnen verändert, ist das Pilotprojekt durchaus geeignet. Dennoch hat es seine Grenzen, da das Umfeld der Teilnehmer nicht vom Grundeinkommen geprägt ist. Würden nämlich alle Menschen in Deutschland ein Grundeinkommen erhalten, hätte dies auch andere Einflüsse, beispielsweise auf das Steuersystem. Um das Grundeinkommen zu finanzieren, müssten zudem vermutlich andere Sozialleistungen wegfallen. Die Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Gesellschaft als Ganzes können somit nicht erfasst werden.
Wie geht es weiter?
Sollte die erste Studie zeigen, dass ein Grundeinkommen einen deutlichen positiven Effekt auf die Teilnehmer hat, wird eine zweite Studie für 2024 geplant. Hier sollen die Teilnehmer Grundeinkommen in unterschiedlichen Höhen erhalten, die mit simulierten, verschieden hohen Steuersätzen auf alle sonstigen Einkünfte verrechnet werden. Dabei wird die Differenz ausgezahlt. Das Ziel der zweiten Studie ist es, herauszufinden, ob das Grundeinkommen tatsächlich Effekte erzeugt und vor allem auch, ob diese eher durch das zusätzliche Geld oder durch die vermehrte psychologische Sicherheit entstehen. Außerdem sollen Aussagen darüber getroffen werden können, ob ein Grundeinkommen für alle finanzierbar wäre.
Fazit
Kann ein bedingungsloses Grundeinkommen eine glücklichere Gesellschaft erschaffen, die ihren Wert auf Gemeinschaft legt? Wie wirkt sich diese Umstellung auf das Klima und unser Konsumverhalten aus? Wird aus Konkurrenzkampf endlich Kooperation? Führt das bedingungslose Grundeinkommen zu einer gesteigerten Eigenverantwortung und Selbstverwirklichung? Oder ist viel eher das Gegenteil der Fall?
Bisher hatte noch kein Pilotprojekt so günstige Voraussetzungen, um so konsequent die Grundlagen dieses Themas zu erforschen. Zum ersten Mal werden sowohl individuelle als auch kollektive Wirkungen jenseits des Arbeitsmarktes erforscht. Auf oben genannte Fragen könnte es also hoffentlich schon bald erste Antworten geben.
Quelle: pilotprojekt-grundeinkommen.de
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