Statt einer klassischen Bewerbung: Wie Bewerber über Online-Tests gefunden werden
Anstatt einer Bewerbung online einen Test absolvieren? In den USA ist diese Praxis gängiger als bei uns, während die klassische Bewerbung in Deutschland noch lange nicht ausgedient hat. Doch auch bei uns sind Online-Tests im Kommen.
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Wenn von einer „klassischen Bewerbung“ die Rede ist, meinen wir den folgenden Prozess: Jemand bewirbt sich auf eine Stellenanzeige, indem er ein Anschreiben verfasst und dieses gemeinsam mit seinen Bewerbungsunterlagen an eine Firma schickt. Während es früher noch gängig war, eine Bewerbungsmappe mit allen Unterlagen zu versenden, hat sich in Deutschland seit einigen Jahren die Online-Bewerbung eingebürgert.
Welche Probleme mit der Online-Bewerbung weggefallen sind
Vor nicht allzu langer Zeit ärgerten sich die Bewerber noch darüber, dass die abgelehnten Bewerbungen häufig mit einem leichten Knick in der Bewerbungsmappe zurückgeschickt wurden, denn solche Bewerbungsmappen konnte man nicht wiederverwenden. Insgesamt hat es sich bei dem früheren Bewerbungsverfahren um einen recht kostspieligen Prozess gehandelt, wenn man auch das Porto und die Kosten für die Bewerbungsfotos, die auf den Lebenslauf aufgeklebt wurden, in die Rechnung einbezieht.
Die Online-Bewerbung hat nicht nur zur Kosten-, sondern auch zu einer immensen Zeitersparnis geführt. Dennoch kann der Bewerbungsprozess inklusive der Vorstellungsgespräche auch heute noch mehrere Wochen bis hin zu Monaten dauern. Und: Auch in früheren Zeiten konnte man mit etwas Glück ein paar Tage nach der Bewerbung eine schriftliche Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhalten.
Probleme der gängigen Bewerbung
Die klassische Bewerbung mit Lebenslauf stellt Personaler vor ein Problem: Einerseits kann es schwer sein, Fakten und Fiktion zu unterscheiden, wenn der Bewerber geschickt einen längeren Strandurlaub zur Bildungsreise hochstilisiert; andererseits geben die aufgelisteten Qualifikationen und Stationen in vielen Fällen nur wenig Einblick in das, was Unternehmen wirklich suchen: Erfahrung, Können und Soft Skills. Auch wenn die Bewerbung eine sogenannte „dritte Seite“ enthält, kann sich der Personaler nicht sicher sein, ob diese nicht von einem Bewerbungslektorat optimiert wurde.
Online-Tests als Bewerbungsverfahren
Wer freiberuflich tätig ist und sich schon einmal bei einer der Microjob-Plattformen beworben hat, wird entweder in Deutschland oder auch auf einer der US-Websites, die Jobs für Deutsche bieten, auf diesen Trend gestoßen sein: Man muss online unter Zeitdruck ein paar Aufgaben lösen und wird auf Basis dieser Daten entweder ausgesiebt oder darf mit dem Unternehmen zusammenarbeiten.
Firmen suchen Mitarbeiter, die möglichst sofort und ohne Einarbeitung produktiv einsetzbar sind, und vielen Bewerbern mangelt es oft trotz guter Qualifikationen an praktischer Erfahrung. Bei Online-Tests werden aus Jobbeschreibungen kleine Prüfungen gebastelt. So können sich Kandidaten bewerben, indem sie ihre Eignung für den neuen Job anhand der Testergebnisse belegen.
Ein Beispiel: Wird eine Stelle als Social Media Manager angeboten, dann müssen Bewerber ihre Sattelfestigkeit im Umgang mit Twitter, Facebook, Pinterest, HTML, Suchmaschinenoptimierung und Keyword-Management beweisen. Aufgabe: „Es wurde eine neue Modekollektion herausgebracht. Hier können Sie sie sich anschauen. Stellen Sie sich vor, Sie müssten einen Tweet schreiben, um die neue Kollektion zu bewerben – wie würde dieser Tweet aussehen?“. Würde man sich als Verkäufer der gleichen Kollektion bewerben, müsste man beispielsweise ein Video aufnehmen und ein fiktives Verkaufsgespräch mit der Kamera führen.
Die Gefahren der Tests
- So innovativ sie auch sein mögen; Online-Tests bergen – zumindest dann, wenn keine Kameraaufnahmen involviert sind – das Risiko, dass der eigentliche Bewerber den Test gar nicht absolviert, sondern eine andere Person. Muss die Stelle dann vor Ort (oder auch auf Dauer von zu Hause aus) ausgeübt werden, kann sich bei den Arbeitgebern Enttäuschung breit machen: Der Bewerber ist doch nicht so originell oder begabt wie die Person, die die Online-Prüfung bestanden hat.
- Eine weitere Gefahr von Online-Prüfungen ist die Tatsache, dass sie von manchen schwarzen Schafen unter den Unternehmen ausgenutzt werden können: Ist beispielsweise eine Plattform auf der Suche nach einem Redakteur und verlangt von allen Bewerbern einen Artikel zu einem oder unterschiedlichen Themen mit dem Umfang von 2000 Wörtern, so kann dahinter auch das Motiv stecken, sich eine eigentlich teure Dienstleistung zu erschleichen. Oder: Ein Unternehmen kann sich im Rahmen eines Online-Tests schlicht Inspirationen holen, ohne wirklich auf der Suche nach einem Mitarbeiter zu sein.
- Außerdem dürfte manch ein Bewerber, der für die Stelle eigentlich gut geeignet wäre, durch einen Online-Test abgeschreckt werden, da er Angst hat sich zu blamieren oder zu versagen. Auch Bewerber, die wenig technikaffin sind und deshalb nicht mit Kamera oder etwa einem Mikrofon umgehen können, sind im Nachteil. Doch ist ein großer Teil der Jobs, die mit Online-Prüfungen arbeiten, im IT-Bereich angesiedelt, weshalb von den Bewerbern solche Skills erwartet werden können. Auch in den Bereichen Marketing, Management, Ingenieurwesen oder Finance erfreuen sich Online-Tests Beliebtheit und werden insbesondere von größeren oder kleinen, innovativen Firmen durchgeführt.
Welche Bewerber von den Online-Prüfungen profitieren
Vor allem diejenigen Bewerber, die keinen exklusiven Lebenslauf haben – beispielsweise, weil der CV Phasen der Arbeitslosigkeit enthält –, erhalten bei den Online-Tests eine Chance. Da Online-Einstellungstests in Echtzeit ablaufen und in ihrer Zeitdauer begrenzt sind, ähneln sie einem Probearbeiten und offenbaren als solches die Schwächen der Person, die sich bewirbt: Durch diesen Umstand haben etwa Bewerber, die des 10-Finger-Schreibens mächtig sind, Vorteile. Auch Mängel in der Fertigkeit der deutschen Sprache, die bei einer Bewerbung leicht vertuscht werden können – ein Freund oder ein Dienstleister können geholfen haben –, treten bei einem Online-Test zum Vorschein, weshalb entsprechend sprachbegabte Personen im Vorteil sind.
Die Vorteile für Firmen
Unternehmen sparen nicht nur Zeit, die sie für das Sichten der Bewerbungsunterlagen verwenden würden: Sie ersparen sich auch Vorstellungsgespräche mit Kandidaten, die einfach nicht über die für den jeweiligen Job erforderlichen Fähigkeiten verfügen. Ja, man kann sogar noch einen Schritt weiter gehen: Es kann sich in nicht wenigen Fällen auch nach der Einstellung noch herausstellen, dass eine Person in ihrem Lebenslauf geschummelt oder Arbeitszeugnisse gefälscht hat. Wenn man sich gleich vorab in einem kameraunterstützten Test von den Fähigkeiten der Person überzeugt hat, kann man bei einer Einstellung – zumindest aus fachlicher Sicht – wenig falsch machen.
Ein zusätzlich eingereichter Lebenslauf bewahrt Unternehmen vor bösen Überraschungen
Je traditionsreicher ein Unternehmen ist, desto ausgeprägter sind häufig die Ansprüche an die Vertrauenswürdigkeit eines Bewerbers. Wenn eine Firma beispielsweise solche Personen von vorneherein ausschließen will, die mehrere Jahre im Gefängnis gesessen haben, empfiehlt es sich, zusätzlich zu dem Test einen Lebenslauf anzufordern.
Um neben der Kompetenz auch die Motivation der Bewerber zu testen, setzen manche Unternehmen auf ein klassisches Bewerbungsverfahren, in welches ein zusätzlicher Online-Test integriert ist. Auf diese Weise findet man engagierte Menschen, die den Job wirklich von Herzen wollen.
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Auch das Unternehmen muss sich beweisen
Online-Prüfungen haben sowohl für Bewerber als auch für Firmen Vorteile: Bewerber etwa können bereits bei einem Test feststellen, ob der Job inhaltlich für sie interessant ist und ihren Talenten entspricht. Aus diesem Grund sollte sich jedes Unternehmen genau überlegen, welche Fragen in dem Test gestellt werden: Sie sollten das zentrale Aufgabenspektrum des zukünftigen Jobs abdecken und repräsentativ für die Tätigkeit sein.
Online-Tests basteln, deren Ergebnisse aussagekräftig sind
Auch wenn sie sich schneller korrigieren lassen – ein Online-Test sollte nicht ausschließlich aus Multiple-Choice-Fragen bestehen, da in diesem Fall leichter gemogelt werden kann. Wenn genügend Freitextfelder in den Test eingebaut werden, können weitere Fähigkeiten der Bewerber wie etwa Rechtschreibsicherheit, Fachvokabular oder Kreativität geprüft werden.
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Joana hat Germanistische Linguistik und Musikwissenschaft an der LMU studiert und ist als externe Redakteurin für careeasy – Dein Karriere-Magazin von stellenanzeigen.de tätig.